Page - 137 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
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137Biografische
Hintergründe und präkonzentrationäre Identitäten von polnischen Deportierten |
ganzer Jahrgang zusammengebunden. Na und ich … / na und ich habe das alles angeschaut /
ich hatte das eine Woche oder zwei, dann haben sie es gefunden und weggenommen. Dort
war so ein schönes Forsthaus. Und das war die Zeit, wo ich überlegt habe, was ich werden will.
Werde ich überhaupt überleben ? Die Chancen waren ja, wie man weiß, gering. Ja, so war das.»
Dieses Bild wird durch einen Satz vervollständigt, der zu Beginn dieses Interviews fällt,
als mein Gesprächspartner Józef Nowak ganz lapidar über seinen Lebenslauf berichtet
und Folgendes über seine Arbeit nach dem Krieg sagt :
«Später ging ich daran, meinen Traum aus dem Gefängnis zu verwirklichen, also … im Wald
zu arbeiten. Es ist mir gelungen. Ich habe viele Jahre in der Forstwirtschaft gearbeitet.»47
Hier besteht kein Zweifel, dass das zentrale Erlebnis in seinem Leben nicht die spätere
Haft in Auschwitz in der berüchtigten Todeszelle war, nicht die Haft in Mauthausen
und seinen Außenlagern, ja nicht einmal der Todesmarsch, sondern eben jener «ereig-
nislose» einsame Gefängnisaufenthalt. Von allem, was in seinem Leben passierte, war
dies (psychisch) am unerträglichsten. Das war nicht nur eine traumatische, auch eine
symbolische Zeit, eine Zeit der Selbstanalyse, der Neudefinierung der eigenen Person.
Ein Zeitpunkt, der für viele spätere Lebensentscheidungen bestimmend war. Weder
frühere noch spätere Erlebnisse werden auf diese Weise dargestellt.
Die Erzählungen von Zeitzeugen, die als Strafe für ihre Untergrundbetätigung ins
Lager kamen – wie die zuvor zitierten –, zeigen auch, dass sich die Schicksale vor
dem Lageraufenthalt je nach Herkunftsregion stark unterschieden. Sofern die oben
beschriebenen Wege der Intelligenz nach Mauthausen für die Polen aus den dem
Deutschen Reich einverleibten Gebieten und aus dem Generalgouvernement ziemlich
ähnlich waren, so konnten die Wege der Untergrundkämpfer je nach Herkunft dif-
ferieren. Nicht nur deshalb, weil die Untergrundstrukturen in den einzelnen Teilen
des besetzten Polens nicht einheitlich waren, sondern auch deshalb, weil die von den
Deutschen gefassten Untergrundaktivisten ganz unterschiedlich behandelt wurden. So
musste der oben zitierte Józef Nowak, der aus dem zum Reich gehörenden Dombro-
waer Kohlebecken stammte, wegen Landesverrat in einer Einzelzelle sitzen, während
Ludwik Kosiarski aus dem zum Generalgouvernement gehörenden Karpatenvorland
von der Gestapo willkürlich gefoltert wurde. Obwohl ihre «Verbrechen» ähnlich waren,
wurden sie rechtlich verschieden qualifiziert. Aus demselben Grund trug ein Teil der
polnischen Mauthausen-Häftlinge einen grünen Winkel mit den Buchstaben SV («Si-
cherungsverwahrte»). Das waren meist Untergrundkämpfer aus den dem Reich ein-
verleibten Gebieten, deren Gefängnisstrafe in eine Lagerhaftstrafe umgewandelt wurde.
Unter unseren Zeitzeugen gab es auch Vertreter dieser Gruppe.
47 AMM, MSDP, OH/ZP1/397, Interview mit Józef Nowak, Interviewer : Piotr Filipkowski, Ruda Śląska,
30. 9. 2002.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen