Page - 143 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
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143Biografische
Hintergründe und präkonzentrationäre Identitäten von polnischen Deportierten |
freigelassen, weil er war ein guter Arbeiter, Mechaniker. Und uns zwei BrĂĽder haben sie nach
Auschwitz geschickt.»54
Das ist eine der zahlreichen «üblichen» Schilderungen der Verhaftung, als Strafe für
die Flucht vom Baudienst oder von der Zwangsarbeit. Die Flucht (oder das Verlassen
des Arbeitsplatzes und der weite Weg ins Heimatdorf) konnte durchaus gelingen.
Das Elternhaus war hingegen kein sicherer Ort. Die Deutschen suchten nach solchen
Flüchtlingen zunächst bei ihnen daheim. Aus Angst haben ihnen vielleicht die Nach-
barn oder der Dorfschulze bei der Suche geholfen. Beeindruckend ist die Demut der
Erzähler, wenn sie darüber berichten. Vielleicht ist es ein Echo jener Demut, mit der sie
ihr Schicksal damals ertrugen, wie etwa bei Stefan Puc :
«Und ich sitze in dem Gefängnis und da kommt mein Vater an mein Fenster und sagt : ‹Hör
zu, mein Sohn, der Koronko hat dich verpfiffen, der Schulze.› Was sollte man da tun ? Am
zweiten Tag auf den Pferdewagen und auf nach Bielsk Podlaski. Brachten mich nach Bielsk,
ins Lager dort … / in Zweierreihen, eine Stunde lang : hinlegen, aufstehen, hinlegen, aufste-
hen, hinlegen, aufstehen ! Und später haben wir in einem Bergwerk gearbeitet, wo Kohle oder
was, diesen Torf haben sie gewonnen. Und zwei Wochen lang. […]»
«Am fünften März haben sie alle, wissen Sie, getrieben …/ die SS hat uns/ in einen Zug verla-
den […] und man wusste nichtÂ
– wir fuhren und fuhren und kamen bis Danzig, das weiß ich
noch, und in Danzig gingen wir durch die Stadt. Wir waren hundert und ein Mann […] 101
Mann. Wissen Sie, sie führten uns über die/ und dann zu der Fähre. Die Fähre, ich erinnere
mich, auf diese Fähre, sie trieben uns auf diese Fähre, na und dann … […] von dieser Fähre/
stiegen wir in diese Bahn und kamen ins Lager Stutthof.»55
Nicht nur eine misslungene Flucht von der Zwangsarbeit, auch bei einem Bauern,
konnte mit dem Lager enden. Um dorthin zu gelangen, genĂĽgte es, durch ein falsches
Wort oder ungebĂĽhrendes Verhalten aufzufallen. Der Einlieferung ins Lager kommt
in der Erzählung – und vermutlich auch in der Erinnerung – ein ganz gewöhnlicher
Stellenwert zu, so zum Beispiel bei Antoni Żak :
«Keine Diskussion, kein Gericht. Kein Gericht, sie haben mich nur eingesperrt, ich bin geses-
sen, aber irgendwo war eine Untersuchung. Und dann nur dieser/ sie befahlen uns herauszu-
kommen/ da stand ein Lastauto/ in den Lastwagen, und sofort in dieses Lager.»56
54 AMM, MSDP, OH/ZP1/374, Interview Płonka.
55 AMM, MSDP, OH/ZP1/583, Interview Puc.
56 AMM, MSDP, OH/ZP1/741, Interview Żak.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen