Page - 144 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
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144 | Piotr Filipkowski
Es fällt schwer, aus diesen Bruchstücken tragfähige allgemeine Aussagen über diese Art
des Wegs ins Lager zu gewinnen. Umso schwerer als – wie schon gesagt wurde – diese
«unheroischen» Erzählungen keinen Eingang in die kollektive Erinnerung des Lager-
geschehens fanden. Während der Arbeit an diesem Projekt hatten wir die Möglichkeit,
zu solchen Erzählungen und solchen Erzählern zu gelangen. Eines der wertvollsten
Ergebnisse ist daher, zumindest in Polen, die Aufzeichnung dieser Berichte und bisher
unbekannten Schicksale.
ResĂĽmee
Dies sind nur einige wenige Beispiele der Schicksale von Mauthausen-Ăśberlebenden
aus ihrer Zeit vor der Lagerhaft. Es wurden bewusst nicht alle Häftlingsgruppen be-
rĂĽcksichtigt ; zum Beispiel habe ich die wichtige Gruppe der Deportierten aus dem
Warschauer Aufstand ausgelassen, da ihnen ein eigenes Kapitel in diesem Band ge-
widmet ist. Unberücksichtigt sind auch jene Mauthausen-Häftlinge, die nur ganz kurz
dort inhaftiert waren, oft nach einem langjährigen Aufenthalt in einem anderen KZ,
meistens Auschwitz.57 Diese Zeitzeugen fühlen sich jenem Lager zugehörig, in dem
sich eine längere Zeit, oft einige Jahre, ihr Schicksal abgespielt hat. Die Verlegung nach
Mauthausen stellt in ihren Schilderungen ein HerausreiĂźen aus dem gewohnten La-
geralltag dar, auch wenn sie letztlich dort befreit wurden. Sie sind eher «in» als «aus»
Mauthausen errettet worden.
Die hier angeführten Beispiele sind also nicht repräsentativ, sie zeigen nicht alle
polnischen Wege nach Mauthausen.58 Das ist auch nicht das Ziel dieser Arbeit. Es ging
vielmehr darum zu zeigen, dass die polnischen (meist politischen) Mauthausen-Häft-
linge sehr verschiedene Persönlichkeiten waren, die verschiedenen sozialen Welten an-
gehörten. Pole zu seinÂ
– damals, in der Zeit vor dem Lager, im Lager und heuteÂ
– ist nur
eine Dimension der sozialen Identität unserer Gesprächspartner. Das ist eine wichtige
Lehre, die wir aus diesen Berichten – und aus vielen anderen, auf die hier nicht einge-
gangen wurde – ziehen können. Eine Lehre, die hilfreich ist, wenn wir in das Dickicht
der Lagerberichte unserer Zeitzeugen eintauchen. Und nicht nur unserer – auch aller
anderen Nationalitäten, die uns über ihre Mithäftlinge (vielleicht auch Feinde) aus Po-
len berichten werden.
57 Vgl. z. B. AMM, MSDP, OH/ZP1/380, Interview mit Edward Pyś, Słupsk, 12. 10. 2002, oder OH/ZP1/559,
Interview mit Zygmunt Kendziora, Interviewer : Michał Zarzycki, Chorzów, 19. 10. 2002.
58 Eines der Ergebnisse des polnischen Teils des Projekts ist eine edierte und bearbeitete Auswahl von Aus-
zĂĽgen aus etwa hundert Interviews in Buchform (mit Bildern und Kurzbiografien von Ăśberlebenden).
Dieses Buch kann als eine Veranschaulichung und empirische Weiterentwicklung der hier vorgestellten
Analysen gelesen werden. Die deutschsprachige Ausgabe : Katarzyna Madoń-Mitzner (Hg.) : Errettet aus
Mauthausen. Berichte polnischer ehemaliger Häftlinge des NS-Konzentrationslagers Mauthausen-Gusen,
Warszawa 2010.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen