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Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
Page - 152 -
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Page - 152 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2

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152 | Mercedes Vilanova weiß nicht, was das für eine Tragödie gewesen wäre, wenn die Franzosen nicht die Grenzen geöffnet hätten. Am 8. Februar habe ich die Grenze überquert. Von diesem Tag an begann ein anderes Leben für uns. Wir waren der Meinung, dass der Krieg noch nicht verloren war. Ehrlich gesagt hatten wir uns einen anderen Empfang von Seiten der französischen Autoritä- ten erwartet, das war eine große Enttäuschung für uns ; zu ihrer Entschuldigung können wir sagen, dass sie nicht darauf vorbereitet waren, ein Kontingent von einer halben Million von Flüchtlingen, alle auf einen Schlag, aufzunehmen.»6 Auch der gleichaltrige, aus dem Baskenland stammende Tischlerlehrling José Aguirre Salaberría erzählt, wie chaotisch die Flucht über die spanische Grenzstadt Portbou nach Frankreich verlaufen ist und wie französische Gendarmen den Flüchtlingen nicht nur Waffen, sondern alles, was sie konnten, abnahmen. Er macht dafür die damalige französische Regierung verantwortlich und empfindet es als besonders schmachvoll, von schwarzen Soldaten der Kolonialtruppen bewacht zu werden : «Unverständlich und schändlich ist die Art und Weise, wie diese Regierung sich verhalten hat, scheinbar eine linke oder sozialistische Regierung  – außerdem war der Präsident ein Jude, es war Léon Blum7, ich spreche von der Regierung, nicht vom Volk. Diese Leute nahmen keiner- lei Rücksicht auf uns. Aber sie haben sehr wohl mit bemerkenswerter Geschwindigkeit Sta- cheldrahtzäune rund ums Lager aufgezogen, das ja, das haben sie sehr, sehr schnell gemacht. Und um das Maß voll zu machen, waren die, die uns bewachten, Afrikaner, Senegalesen. Das ist die Geschichte unserer Ankunft in Frankreich in dem, was die Franzosen sehr euphemis- tisch die Aufnahmelager nennen, dabei waren es Konzentrationslager. Weit entfernt natürlich von den Vernichtungslagern, aber das waren schon Konzentrationslager.»8 Die Zustände in den provisorischen Lagern, die von den französischen Behörden an den Stränden des Roussillon zur Unterbringung der Flüchtlinge eingerichtet wurden, haben sich tief in das Gedächtnis der Überlebenden eingegraben. José Aguirre Salaber- ría berichtet darüber : «Sie führten uns zu Fuß, immer zu Fuß an die Strände des Roussillon, an die Strände von Argelès-sur-Mer, nach Barcarès, wir hofften dort ein Obdach zu finden, aber nein. Wir fanden 6 AMM, MSDP, OH/ZP1/189, Interview mit Francisco Batiste Baila, Interviewerin : Mercedes Vilanova, Vinaròs, 10. 9. 2002. 7 Hier irrt Aguirre Salaberría : Léon Blum war Ministerpräsident in der sogenannten Volksfrontregierung von Juni 1936 bis Juni 1937, dann erneut im März/April 1938. Zum Zeitpunkt der Retirada war Édouard Daladier Premierminister. 8 AMM, MSDP, OH/ZP1/184, Interview mit José María Aguirre Salaberría, Interviewerin : Mercedes Vila- nova, Palma de Mallorca, 14. 8. 2002. Tatsächlich nannten die französischen Behörden diese Lager kurz- fristig Konzentrationslager, benannten sie aber schnell um in Internierungslager. Denis Peschanski : La France des camps. L’internement, 1938–1946, Paris 2002, S. 42. Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen Volume 2
Title
Deportiert nach Mauthausen
Volume
2
Authors
Gerhard Botz
Alexander Prenninger
Regina Fritz
Editor
Melanie Dejnega
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21216-4
Size
16.8 x 23.7 cm
Pages
716
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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