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155Erlebnisse
spanischer Republikaner auf dem Weg nach Mauthausen |
«Sie zwangen uns, zwischen drei verschiedenen Optionen zu wählen : die Fremdenlegion, da
sagten wir : Das kommt gar nicht in Frage ; die Marschbataillone, was auch nicht besser war,
und die Arbeitskompanien. Da wir das zu Recht fĂĽr ein geringeres Ăśbel hielten, entschied sich
die Mehrheit von uns fĂĽr die Arbeitskompanien. Worin bestanden die ? Das war eine Gruppe
von Spaniern, die von einem Gendarmen, einem Polizisten oder einem mobilen Wachposten
befehligt wurden, der sich um die Aufsicht ĂĽber uns, die Disziplin etc. etc. kĂĽmmerte. Soweit
alles in Ordnung, außer dass sie uns zur Verstärkung des sogenannten Ingenieurcorps abbe-
orderten, und sie schickten uns fast direkt an die Front, an die Maginot-Linie.»13
Das erklärte Ziel der französischen Regierung war es, jene Flüchtlinge, die sich nicht
selbst erhalten konnten, das heiĂźt vor allem Frauen, Kinder und Kranke, ĂĽber die
Grenze von Hendaye nach Spanien zurĂĽckzubringen. Angesichts der zunehmenden
Wahrscheinlichkeit eines Krieges mit dem nationalsozialistischen Deutschen Reich
und einer innenpolitischen Krise, in der der massive Zufluss von FlĂĽchtlingen aus Spa-
nien – aber auch aus anderen Ländern wie dem Deutschen Reich, Österreich und der
Tschechoslowakei – immer mehr als Gefahr wahrgenommen wurde, erließ die franzö-
sische Regierung 1939/40 eine Reihe von Dekreten, mit denen Ausländer und Staaten-
lose gezwungen wurden, zwei Jahre lang Militärdienst zu leisten.14 Hiervon waren auch
die spanischen Republikaner betroffen. Um der Repatriierung zu entgehen, meldete
sich eine regelrechte Lawine von Spaniern vor allem bei den ausländischen Arbeits-
kompanien (Compagnies de travailleurs étrangers, CTE).15 Etwa zweihundert Kompa-
nien vereinigten etwa fĂĽnfzigtausend Republikaner. Mehrere tausend weitere Spanier
meldeten sich zu den zwischen September 1939 und Mai 1940 aufgestellten Marsch-
bataillonen (Régiments de marche de volontaires étrangers, RMVE).16 Die Arbeitskom-
panien bestanden aus je 250Â Mann, unter der Verantwortung eines republikanischen
Ex-Leutnants und eines Ex-Hauptmanns, die als Vermittler zu den französischen Of-
fizieren fungierten.
Antonio Serrano Nogueira erzählt, wie es ihm trotz seiner Jugendlichkeit gelang, in
der 1939/40 gänzlich unübersichtlichen Situation im bedrohten Frankreich zurechtzu-
kommen, und wie er Angehöriger der französischen Armee wurde :
13 AMM, MSDP, OH/ZP1/184, Interview Aguirre SalaberrĂa.
14 Zur Flüchtlingspolitik vgl. Peschanski, La France des camps, Kap. 1 «Une politique d’exception, 1938–
1940».
15 Die CTE wurden im September 1940 vom Vichy-Regime in Groupes de travailleurs étrangers (GTE) um-
gewandelt. Vgl. Peter Gaida : Camps de travail sous Vichy. Les «Â
groupes de travailleurs Ă©trangersÂ
» (GTE)
en France et en Afrique du Nord 1940–1944, Diss. Univ. Paris I/Bremen 2008.
16 Zu den Marschbataillonen vgl. Stéphane Leroy : Les exilés républicains espagnols des Régiments de Mar-
che des Volontaires Étrangers. Engagement, présence et formation militaire (janvier 1939–mai 1940),
in : Cahiers de civilisation espagnole contemporaine 6 (2010), URL : http://journals.openedition.org/
ccec/3285 (29. 9. 2020).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen