Page - 174 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
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174 | Mercedes Vilanova
Jahren. Einige stammen aus großen Städten oder aus Provinzhauptstädten, andere aus
kleinen Dörfern. Keiner von ihnen hat vor dem Alter von dreizehn Jahren zu arbei-
ten begonnen, sie haben ein Minimum von Schulbildung erhalten und einen Beruf
erlernt, den sie bis zum Bürgerkrieg ausüben werden : Buchhalter, Friseure, Tischler,
Steinmetze, Verkäufer in großen Warenhäusern etc. Diese Berufe und diese politischen
Wurzeln, gemeinsam mit ihrer jeweiligen Einstellung, erlaubten es ihnen, sich privile-
gierte Arbeitsstellen in der Lagerverwaltung oder bei der Organisation der Komman-
dos zu verschaffen oder spezielle Arbeiten auszuführen, die von enormem Wert für die
persönlichen Überlebenschancen waren. Sicher deshalb, weil sie ihre Adoleszenz und
Jugend während der Republik erlebt haben, waren ihre politischen Optionen klarer,
obwohl manche auch behaupten, dass sie die Politik «überhaupt nicht interessierte».
Francisco Casares Rodríguez drückt es so aus :
«Bei mir zu Hause arbeiteten wir, um leben zu können, und damit basta. Wir arbeiteten auf
dem Land, in der Industrie, da war nicht die Rede von Republik und so. Ja, wir sahen Leute
auf der Straße, die wild durcheinander brüllten, die Radau machten. Die unverschämten
Lümmel, die, die sich im Dorf zu den Herren der Republik aufschwangen, das waren die Bür-
germeister, die Gemeinderäte, die schlechten Leute, schlechte Leute. Gut, schlecht, je nach-
dem, wie man es betrachtet, es war nicht so, dass sie schlechte Dinge getan hätten, sie waren
schlecht aus der Sicht derer, die keine Politik machten. Für mich, zum Beispiel, wäre ein Kerl,
der sich mit dem Bürgermeister zusammentat, ein Speichellecker gewesen, also ein schlechter
Kerl, weil er sich bei ihm einschleimte, weil er das machte, um zu Protektion zu kommen, um
sich einen Arbeitsplatz zu verschaffen, um in den Gemeinderat zu kommen, schließlich, aus
tausend Gründen. Die Republik interessierte mich überhaupt nicht.»64
Die zwischen 1918 und 1920 Geborenen waren stark davon geprägt, dass sie Brüder
hatten, die während der Zeit der Republik aktiv gekämpft hatten, ob nun als Pioniere
bei der Gründung der damals in Spanien quasi inexistenten Kommunistischen Partei,
weil sie es zu Repräsentanten in den hohen Instanzen der anarchistischen Komitees
gebracht hatten oder weil sie an den Fronten des Bürgerkrieges ihr Leben ließen. In
dieser Altersgruppe hatte auch die Position, die man unter den Geschwistern einnahm,
eine sehr große Bedeutung, da die Kleinen aus den jeweiligen Familien die Älteren
bewunderten. Joaquín López Raimundo drückt das ganz unverblümt so aus :
«Mein ältester Bruder war der, der die JSU65 gegründet hat, er war einer von denen, die sie
gegründet haben
… Er war es, der mir alles beigebracht hat, der beschlossen hat, dass ich die
64 AMM, MSDP, OH/ZP1/180, Interview mit Francisco Casares Rodriguez, Interviewerin : Mercedes Vila-
nova, Sant Just Desvern, 2. 6. 2002.
65 Die Juventudes Socialistas Unificadas (Vereinigte Sozialistische Jugend) wurde 1936 aus Jugendgruppen
der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) und der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE)
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen