Page - 179 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
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Anne-Marie Granet-Abisset
Die französischen Deportierten von Mauthausen :
ungleiche Wege zum gleichen Ziel
Einige Jahre später die für das Mauthausen Survivors Documentation Project (MSDP)
durchgefĂĽhrten Interviews wieder aufzugreifen, ist ein nicht nur anregendes, sondern
auch in methodologischer Hinsicht äußerst interessantes Unterfangen. Tatsächlich sind
vor dem Hintergrund der Erfahrungen in anderen nationalen oder internationalen
Programme, wie dem Projekt der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft in
Deutschland1 oder den Projekten im Zusammenhang mit dem Musée de la Résistance
et de la Déportation de l’Isère in Frankreich2, andere Fragestellungen aufzuwerfen als
jene, die zum Zeitpunkt der DurchfĂĽhrung der Interviews berĂĽcksichtigt wurden. Ge-
wiss ist der Analysekontext ein anderer, und vor allem haben die Erinnerungsarbeit
und der historische Diskurs über diese Fragen sich unaufhörlich weiterentwickelt, wo-
bei bestimmte Punkte aber auch definitiv geklärt worden sind.
Sich dem Thema der Deportation über die Lebensgeschichten zu nähern, ist kein
neuer Ansatz. Was dagegen neu ist, ist der Vergleich zwischen Deportierten so ver-
schiedener Nationalitäten wie denen, die hier auf dem Programm stehen. Dieser Ver-
gleich zwischen verbündeten, besetzten oder in Opposition zum «Dritten Reich» be-
findlichen Ländern gewinnt seine volle Bedeutung mit dem KZ-System Mauthausen :
einem der Lager, wo die größte Zahl von Nationalitäten versammelt war.
Hier ist es von größtem Interesse zu versuchen, alle diese Kategorien von Lebens-
wegen zu vergleichen, die verschiedenen nationalen Geschichten und Realitäten ent-
sprechen, aber auch unterschiedlichen Etappen der Erinnerung und der Erinnerungs-
bildung rund um diese Erfahrungen, sei es nun auf individueller oder auf kollektiver
Ebene. Ebenfalls von Interesse ist die Entscheidung, sich hier auf die Herkunft, die
Erfahrungen und die Lebenswege der Deportierten vor ihrer Ankunft im Lager zu
konzentrieren : ein Thema, das gegenüber den Erzählungen über die Erfahrungen im
Konzentrationslager oft vernachlässigt wird. Dennoch ist es wesentlich, die eventuellen
Unterschiede hinsichtlich ihrer Herkunft zu erfassen, um den zerstörerischen Schmelz-
tiegel, den dieses KZ-System verkörpert, schließlich besser begreifen zu können.
1 Das International Forced Labourers Documentation Project unter der Leitung von Alexander von Plato,
Christoph Thonfeld und Almut Leh, Fernuniversität Hagen, wurde 2005/06 durchgeführt. Die Inter-
views dieses Projekts sind zugänglich im Online-Archiv «Zwangsarbeit 1939–1945», URL : https://www.
zwangsarbeit-archiv.de/ (28. 9. 2020).
2 Vgl. dazu etwa die Vorträge auf der Tagung «L’histoire oraleÂ
– Regards croisĂ©s et dĂ©calĂ©s : FranceÂ
– BrĂ©silÂ
–
Europe», Grenoble, 26. bis 29. 1. 2010, URL : https://calenda.org/213741?file=1 (29. 9. 2020).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen