Page - 198 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
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198 | Anne-Marie Granet-Abisset
Ebenfalls beiseite lasse ich die Erzählungen über die Ankunft, mit der erschüttern-
den Entdeckung der «Lagerburg», der Schreie und des Gebrülls, oder auch die Be-
schreibung des Lebens im Lager ; hier handelt es sich um relativ bekannte Aspekte.37
Man muss jedoch darauf hinweisen, dass die Vielfalt der Lebenswege auch die Auf-
enthaltsdauer in Mauthausen betrifft : von wenigen Tagen oder Wochen bei denen,
die zuletzt ankamen, bis zu fünf Jahren bei den schon früh Inhaftierten. Die jeweilige
Dauer des Aufenthalts bedingt tatsächlich Unterschiede in den Erzählungen. Sie liefert
vor allem auch einen Hinweis auf die unterschiedliche Position des jeweiligen Depor-
tierten innerhalb des Lagers. Es ist in der Tat schwierig, sich vorzustellen, dass die, die
fünf Jahre im Lager überlebt haben, einfache Deportierte geblieben sein könnten, beim
Einsatz im Steinbruch und bei den schweren Blöcken, die man die berüchtigten, ver-
hängnisvollen 186
Stufen hinauftragen musste : das Mittel, jene Deportierten, die schon
völlig am Ende waren, oder jene, die der Strafkompanie oder auch den furchtbarsten
Kommandos zugeteilt waren, auszusortieren oder endgültig umzubringen. Unter den
beschriebenen Arbeits- und Lebensbedingungen reichen ihre mentale Stärke, ihre spi-
rituellen oder religiösen Überzeugungen und ihre zuvor erworbene physische Wider-
standskraft nicht aus, um ihr Überleben zu erklären.
Im Übrigen war das Stammlager Mauthausen, wie bereits gesagt wurde, oft nur eine
Zwischenstation in der Internierungsgeschichte dieser Zeugen. Wenn die meisten da-
nach in die Außenlager geschickt wurden, von denen die wichtigsten für die Franzosen,
vor allem am Anfang, Melk, aber auch Ebensee, Amstetten, Schwechat, Wiener Neu-
dorf waren, so wurden andere in Lager wie Dachau, Mittelbau-Dora, Auschwitz oder
Ravensbrück überstellt. Für andere wiederum war Mauthausen die Endstation nach
einem Aufenthalt in den erwähnten Lagern und nach der Verlegung der Häftlinge aus
ihnen unbekannten Gründen infolge von Evakuierungstransporten, im Wesentlichen
ab Ende des Jahres 1944 und vor allem ab Februar 1945. Das gilt wie gesagt insbeson-
dere für die Frauen, die wie Gisèle Guillemot zum überwiegenden Teil aus Ravens-
brück kamen :
«Wir waren immer über alles auf dem Laufenden. Wir haben es sehr rasch erfahren. Wie wir
auch sehr rasch erfahren haben, dass die Gruppe von Frauen, die am 2. März zum Aufbruch
versammelt waren, man wusste nicht wohin, dass das ein sogenannter ‹schwarzer› Konvoi war,
der Ankunft nur mehr 900 übrig gewesen wären ; die anderen wären erstickt oder bei Fluchtversuchen
erschossen worden. Diese Zahlen sind als Ausdruck seines Entsetzens über die Bedingungen des Trans-
ports zu lesen. Laut Gedenkbuch der FMD befanden sich 1218 Männer, davon 1132 Franzosen, im
Transport vom 22. März 1944, von denen nur 541 nach Frankreich zurückgekehrt sind. Siehe URL : http://
www.bddm.org/liv/details.php?id=I.191. (13.10.2020). Nach Adeline Lee, Le convoi du 22 mars 1944,
wurde ein Mann während des Transports erschossen. Siehe URL : http://www.monument-mauthausen.
org/Le-convoi-du-22-mars-1944 (13.10.2020).
37 Man muss allerdings festhalten, dass manche Zeugen andere Erfahrungen gemacht und andere, seltener
thematisierte Aspekte eingebracht haben.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen