Page - 210 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
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210 | Katja Happe
und einigen anderen Gemeinden wurden noch einmal ca. 100 Juden verhaftet. Ein
Grund für diese Aktion lässt sich nicht nachweisen.22
Damit waren bis zu diesem Zeitpunkt mehr als 800 Juden aus den Niederlanden
nach Mauthausen deportiert worden. Eine persönliche Schuld der Verhafteten ist nicht
nachweisbar. Die deutsche Besatzungsmacht unternahm jedoch auch nicht den Ver-
such, die Verhaftungen juristisch zu legitimieren. Als Geiseln sollten die Verhafteten
Gewähr dafür bieten, weitere Anschläge oder unbotmäßiges Verhalten in den Nieder-
landen in Zukunft zu verhindern. Da die jüdische Gemeinschaft und vor allem der
Jüdische Rat als ihr Vertreter sich den antijüdischen Maßnahmen nicht widersetzten,
sondern sich bemühten, alle Forderungen der Deutschen zu erfüllen, um möglichst
weitere Maßnahmen zu verhindern, bestand eigentlich kein Grund zur Verhaftung
weiterer jüdischer Geiseln. Die Deportation nach Mauthausen und die hohe Todeszahl
unter den Verhafteten dort offenbaren, dass es der Besatzungsmacht nicht nur um die
Einschüchterung des Jüdischen Rats oder die Verhinderung weiterer Sabotageaktio-
nen ging. Vielmehr erscheint die abschreckende Wirkung der vielen Toten beabsichtigt
und von der Besatzungsmacht bewusst in Kauf genommen worden zu sein, um das
eigene Image als starke und mächtige Besatzungsmacht zu verdeutlichen und in den
gesamten Niederlanden Angst und Schrecken zu verbreiten. Die Wahl von Juden als
Opfern dieser Maßnahmen bot sich für die Besatzungsmacht aus mehreren Gründen
an. Nach den im Laufe der Besatzungszeit erlassenen antisemitischen Maßnahmen wa-
ren sie innerhalb der niederländischen Bevölkerung isoliert und entrechtet. Von den
Juden selbst schien nach den bereits meist widerspruchslos akzeptierten Anordnun-
gen kein Widerstand und keine Gefährdung der Besatzungsmacht auszugehen. Und
auch die übrigen Niederländer hatten bis auf den Februarstreik die Ausgrenzung ihrer
jüdischen Nachbarn und Mitbürger klaglos hingenommen. Auch sie schienen einer
Deportation von Juden nach Mauthausen keinen Widerstand entgegenzusetzen, aber
durchaus empfänglich für die geplante Abschreckung durch die Deportationen zu sein.
Durch die Registrierung der Juden und ihre immer stärkere Konzentration in Amster-
dam oder den verschiedenen Lagern in den Niederlanden konnte die Besatzungsmacht
zudem leicht auf Juden zugreifen und sie als passive und schwache Opfer für ihre Ab-
schreckungspläne benutzen.
Reaktionen auf die hohen Todeszahlen
Auch wenn es tatsächlich keine Widerstandsaktionen gab, die auf die Deportation der
Juden nach Mauthausen folgten, riefen die Abtransporte und vor allem die im Früh-
jahr und Sommer 1941 schnell hereinkommenden Todesnachrichten sowohl in den
Niederlanden selbst als auch weltweit doch deutliche Reaktionen hervor. So ergriff der
22 Presser, Ondergang, S. 144 f.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen