Page - 214 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
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214 | Katja Happe
relativ kurz nach ihrer Ankunft ums Leben. Zwei überlebende Mauthausen-Insassen,
der Pole Adam Kuczinski und der Deutsche Ludwig Neumaier, berichteten, dass 50
der niederländischen Juden am Morgen nach ihrer Ankunft in die elektrische Um-
zäunung des Lagers gejagt worden waren. In den nächsten Tagen wurden die übrigen
durch die Arbeit im Steinbruch verletzt oder getötet, der Rest der dann noch Überle-
benden beging Selbstmord oder wurde von der SS erschossen.28 Aus diesem Grund
existieren auch im Mauthausen Survivors Documentation Project keine Interviews mit
Überlebenden dieser ersten Deportationen aus den Niederlanden, auf die in diesem
Artikel Bezug genommen werden könnte. Von den jungen Männern, die 1941 verhaftet
wurden, verlor sich nach ihrer Deportation jede persönliche Spur. In der Publikation
«Mauthausen, een Gedenkboek» der Stiftung Vriendenkring Mauthausen werden ihre
Namen und Todesdaten aufgeführt.29 Zusätzlich finden sich in dem Buch auch einige
Biografien der jüdischen Deportierten.
Weitere Deportationen von Niederländern nach Mauthausen
Wie wenig glaubwürdig die Zusagen und Versprechen der deutschen Besatzungs-
behörden waren, zeigen die Vorgänge des Jahres 1942. Zwar hielten die Deutschen ihr
Versprechen, keine Massendeportationen von Juden nach Mauthausen mehr durch-
zuführen, stattdessen wurden jedoch ca. 500 Juden als sogenannte «Straffälle» einzeln
oder in kleinen Gruppen aus den Niederlanden nach Mauthausen transportiert.30
Die Ursache für diese zunehmende Straffälligkeit von Juden lag in den immer zahl-
reicheren antijüdischen Verordnungen und Maßnahmen begründet. Schon im Laufe
des Jahres 1941 hatten Einschränkungen des jüdischen Lebens in den Niederlanden
immer weiter zugenommen. Die «Arisierung» der Wirtschaft schritt mit der Enteig-
nung jüdischer Betriebe voran, Juden durften viele Berufe nicht mehr ausüben. Ihnen
war es seit September 1941 verboten, in Hotels und Pensionen zu übernachten oder
ihren Wohnsitz ohne behördliche Genehmigung zu wechseln. Ab Jänner 1942 mussten
sich zudem die ersten gut 1000 jüdischen Männer zum Arbeitseinsatz in Lagern in der
niederländischen Provinz melden. Zu den Einschränkungen in allen Lebensbereichen
kam im Mai 1942 noch die Verpflichtung zum Tragen des gelben Sterns hinzu und
ab Ende Juni 1942 eine starke Einschränkung der Bewegungsfreiheit für Juden, die
zum Beispiel nur noch zwischen 15 und 17 Uhr einkaufen gehen durften und sich
zwischen 20
Uhr und dem nächsten Morgen in ihren Wohnungen aufhalten mussten.31
28 Eugen Kogon : Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, München 1946, S. 165 f.
29 Stichting Vriendenkring Mauthausen (Hg.) : Mauthausen, een Gedenkboek [Mauthausen, ein Gedenk-
buch], Amsterdam 1999. Auf der Internetseite der Stiftung finden sich ebenfalls die Namen aller Depor-
tierten aus den Niederlanden : https://www.mauthausen.nl/namenlijst/ (25. 9. 2020).
30 de Vries, «Sie starben wie Fliegen im Herbst», S. 11.
31 Zu den Einschränkungen des jüdischen Lebens vgl. Presser, Ondergang, S. 160–231.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen