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der Slowenen nach Mauthausen |
gegenĂĽber den Slowenen versuchte auch Italien das annektierte Gebiet um Ljubljana
zu italienisieren, damit es nicht nur durch die formale Annexion, sondern auch durch
eine veränderte ethnische Struktur und Kultur italienisch werden würde. Überzeugt
von der Ăśberlegenheit der italienischen Kultur (ItalianitĂ ) sollte diese schnell die als
minderwertig empfundene slowenische Kultur ĂĽbertrumpfen.35
Dazu beitragen sollten zahlreiche Kulturveranstaltungen, Gastspiele italienischer
KĂĽnstler, die Betonung der italienischen Kultur in den Medien, die EinfĂĽhrung ita-
lienischer und faschistischer Feiertage, das Studium von Slowenen in italienischen
Städten, Italienischunterricht in den Schulen – in der Verwaltung und in der Öffent-
lichkeit war Zweisprachigkeit erlaubt –, vor allem aber die Einführung faschistischer
Organisationen und eines korporativen Systems und die Ansiedelung von Italienern.
Wichtige Funktionen im Verwaltungsapparat wurden schrittweise von italienischen
Beamten ĂĽbernommen. In der Zwischenzeit bis zur vollkommenen Integration sollte
im Gebiet von Ljubljana ein besonderes Statut gelten. Die Bewohner erhielten die
italienische Staatsbürgerschaft ; aus mangelndem Vertrauen in die Zuverlässigkeit der
slowenischen Bevölkerung wurden jedoch Männer nicht in die italienische Armee
eingezogen.
Trotz der «weichen» Besatzungspolitik der Italiener und der Kollaboration eines
großen Teils der bürgerlichen Eliten – auch wegen deren Ablehnung des Machtan-
spruchs der Kommunisten – wuchs die Widerstandsbewegung auch in der Provincia
di Lubiana und hatte ihr Zentrum in Ljubljana. Mitte Jänner 1942 erklärte Mussolini
die gesamte Provinz zur (militärischen) Operationszone. Zur Bekämpfung des politi-
schen und militärischen Zentrums des Widerstandes in Ljubljana wurden in der ersten
Jahreshälfte 1942 um die Stadt herum ein Stacheldrahtzaun und ein mit Artillerie be-
stĂĽcktes Bunkersystem errichtet, um die Verbindungen der Partisanen zwischen Stadt
und Land zu kappen. Außerhalb der Stadt gab es noch einen zusätzlichen Ring von
Stützpunkten, der von slowenischen Dorfwehren (Vaške straž) besetzt war. Die Stadt
war – mit der Ausnahme von ein paar Tagen nach dem Abgang der Italiener und dem
Kommen der Deutschen im Herbst 1943 – 1170 Tage umringt.
In systematisch durchgefĂĽhrten Razzien wurden Zehntausende Menschen kontrol-
liert und Verdächtige verhaftet. Verdächtig waren vor allem junge Männer, aber auch
Alte, Frauen und Kinder wurden verhaftet. Etwa 40.000 Personen kamen in italieni-
sche Konzentrationslager, von denen etwa 7000 an Krankheiten, Unterernährung und
Misshandlungen starben.36 Das schlimmste dieser Lager befand sich auf der Insel Rab ;
in diesem starben unter anderem zwischen Juli und November 1942 104Â Kinder. Auf-
35 Vgl. Rolf Wörsdörfer : Krisenherd Adria 1915–1955. Konstruktion und Artikulation des Nationalen im
italienisch-jugoslawischen Grenzraum, Paderborn et al. 2004, S. 354 f.
36 Jozo Tomasevich : War and Revolution in Yugoslavia, 1941–1945, Vol. 2 : Occupation and Collaboration,
Stanford 2001, S. 103 f.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen