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Barbara N. Wiesinger
«Da hat der Leidensweg erst begonnen …»
Wege aus dem besetzten Serbien nach Mauthausen
Der vorliegende Beitrag zeichnet exemplarisch die Wege fĂĽnf serbischer Ăśberlebender1
in das KZ Mauthausen und dessen AuĂźenlager nach und verortet deren Lebensge-
schichten im Kontext von Besatzung, Kollaboration, Widerstand und Verfolgung in
Serbien 1941 bis 1945. Eine solche auf individuelle Erfahrungen und Erinnerungen
fokussierende Darstellung erscheint als wichtiges Korrektiv insbesondere zur jugosla-
wischen bzw. serbischen Fachliteratur, die weitgehend von thematischen, ideologischen
und methodologischen Voreingenommenheiten gekennzeichnet ist. Während der so-
zialistischen Ära dominierten Partisanenkampf und Revolutionsgeschichte die Histo-
riografie zum Zweiten Weltkrieg.2 Zur nationalsozialistischen Verfolgung erschienen
erst in den 1980er Jahren detaillierte Studien, in denen allerdings die Leiden von An-
hängerinnen und Anhängern der Volksbefreiungsbewegung (wie sich die linksori-
entierte Widerstandsbewegung gegen Besatzung und Kollaboration nannte) im Mit-
telpunkt standen.3 Seit den 1990er Jahren wiederum traten völlig andere Themen in
den Vordergrund : die Neubewertung der Tschetnik-Bewegung und der serbischen
Kollaborationsregierungen, die Verfolgung ethnischer Serben im sogenannten «Un-
abhängigen Staat Kroatien» (1941–1945) usw.4 Hinzu kommt, dass viele einheimische
Historiker und Historikerinnen lebensgeschichtliche Interviews und andere «subjek-
tive Selbstzeugnisse»5 nicht als ernst zu nehmende Quellen betrachten, sodass die per-
sönliche Perspektive von Überlebenden der nationalsozialistischen Verfolgung noch
1 «Serbisch» bzw. «Serben» referiert im Folgenden auf Einwohner Serbiens unabhängig von ihrer ethni-
schen Zugehörigkeit. Wo dies sinnvoll erscheint, wird Letztere explizit angegeben.
2 Vgl. Wolfgang Höpken : Von der Mythologisierung zur Stigmatisierung. «Krieg und Revolution» in Jugo-
slawien 1941–1948 im Spiegel von Geschichtswissenschaft und historischer Publizistik, in : Eva Schmidt-
Hartmann (Hg.), Kommunismus und Osteuropa. Konzepte, Perspektiven und Interpretationen im Wan-
del, München 1994, S. 165–201 und 174–191.
3 Vgl. die vom Institut za savremenu istoriju [Institut für Zeitgeschichte] herausgegebene Reihe «Stradanja
i otpori» [Leiden und Widerstand], in der Monografien zu Lagern inner- und außerhalb Jugoslawiens
veröffentlicht wurden.
4 Vgl. Wolfgang Höpken : Post-sozialistische Erinnerungskulturen im ehemaligen Jugoslawien, in : Emil
Brix et al. (Hg.), Südosteuropa. Traditionen als Macht, München/Wien 2007, S. 12–50.
5 Alexander von Plato : Zeitzeugen und die historische Zunft. Erinnerung, kommunikative Tradierung und
kollektives Gedächtnis in der qualitativen Geschichtswissenschaft – ein Problemaufriss, in : BIOS 13.1
(2000), S. 5–9, hier 7.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen