Page - 283 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
Image of the Page - 283 -
Text of the Page - 283 -
283«Da
hat der Leidensweg erst begonnen …» |
«Als ich […] mich ausgezogen habe, haben sie mir da unten alle Haare, die ein Mann halt so
hat, weggemacht. […] Meine Frau soll da jetzt nicht zuhören. Sie schnappen einen am, an
allem [= an den Genitalien, Anm. d. Übers.], dann nimmt er das Rasiermesser und schleift
es [imitiert offenbar den Vorgang], Sie wissen schon. Sie verarschen uns/ Sie lachen, verstehst
du, verstehen Sie, was ich sagen will ?»94
Wie Vlada Buljubaša geriet auch Ljubomir Zečević aufgrund seines Engagements im
Widerstand nach Mauthausen. Ljubomir Zečević kam 1925 in einer wohlhabenden
Belgrader Familie zur Welt. Im September 1941 wurde der Gymnasiast in den SKOJ
aufgenommen und war bis April 1943 im zivilen Widerstand aktiv. Ljubomir Zečević
wurde zweimal von der Spezialpolizei verhaftet, kam aufgrund der guten Beziehungen
eines seiner Brüder zu den Kollaborationsbehörden aber immer wieder frei. Im April
1943 wurde er beim Versuch, sich einer Partisanengruppe anzuschließen, erneut fest-
genommen und verbrachte einige Wochen in Spezialpolizeihaft. Im Mai 1943 wurde
Ljubomir Zečević nach Banjica überstellt und von dort am 29. Oktober 1943 nach
Mauthausen deportiert. Zwischen November 1943 und Mai 1944 war er im Außen lager
«Schlier» (Redl-Zipf) interniert, wo er bei Erd- und Bauarbeiten eingesetzt wurde. An-
schließend arbeitete er im Tunnelbau in Ebensee, bis er dank seiner Beziehungen zu
dortigen Funktionshäftlingen zuerst Schreiber eines Arbeitskommandos und schließ-
lich Helfer des slowenischen Blockschreibers Vinko Bernot95 wurde. Als politischer
Funktionshäftling engagierte sich Ljubomir Zečević seinen Aussagen zufolge inten-
siv im Lagerwiderstand. Nach der Rückkehr nach Jugoslawien machte der Biograf
Karriere beim serbischen Staatsfernsehen, wo er zuletzt als Direktor tätig war. Zum
Zeitpunkt des Interviews war er in der serbischen Lagergemeinschaft aktiv. Ljubomir
Zečević’ chronologisch aufgebaute, oberflächlich betrachtet lückenlose und detaillierte
Erzählung ist offensichtlich von dem Wunsch geprägt, sich als entschlossenen Wider-
standsaktivisten und politisch bewussten Lagerhäftling darzustellen.96
Ljubomir Zečević beginnt seine Verfolgungsgeschichte mit einer detaillierten Schil-
derung seiner Widerstandsaktivitäten. Gemeinsam mit anderen linksorientierten Ju-
94 Vgl. AMM, MSDP, OH/ZP1/667, Interview Buljubaša.
95 In der Literatur auch : Vinzenc Bernat.
96 Ereignisse, die sein projiziertes Selbstbild bekräftigen, untermauert Ljubomir Zečević argumentativ, in-
dem er Verweise auf andere beteiligte Personen oder genaue Datums- und Ortsangaben in seine Erzäh-
lung einbaut. Gleichzeitig erzählt er jedoch wenig über die Geschehnisse selbst. Handlungen wiederum,
die ein ungünstiges Licht auf seine Person werfen könnten, verschweigt er. Beispielsweise erzählt Ljubo-
mir Zečević nichts über die Zeit zwischen der Befreiung Mauthausens und seiner Rückkehr nach Jugosla-
wien, als er, wie sein ehemaliger Mitgefangener Pavle Milošević behauptet, einen deutschen kriminellen
Häftling ermordete. Auch erwähnt Zečević mit keinem Wort, dass er Pavle Milošević bei der Rückkehr
nach Jugoslawien als «Tschetnik» denunzierte (dazu weiter unten) sowie diesen in einer Darstellung
seiner Lagererfahrungen der Kollaboration bezichtigte. Vgl. AMM, MSDP, OH/ZP1/676, Interview mit
Pavle Milošević, Interviewer : Predrag Marković, Belgrad, 2. 12. 2002, Übersetzung.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
back to the
book Deportiert nach Mauthausen, Volume 2"
Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen