Page - 287 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
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287«Da
hat der Leidensweg erst begonnen …» |
nach Mauthausen endet mit der Darstellung der ersten Nacht im Lager, während der er
und seine Mitgefangenen von kriminellen Häftlingen misshandelt wurden.111
Im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Mauthausen-Ăśberlebenden, die wegen ih-
res Widerstands gegen die Besatzung inhaftiert und deportiert wurden, wurde Vladimir
Jovanović zufällig ein Opfer des nationalsozialistischen Regimes. 1925 als Sohn eines
Kaufmanns in dem sĂĽdserbischen Dorf Kravlje geboren, wurde der gelernte Schneider
gemeinsam mit ca. 90 weiteren Dorfbewohnern im Juli 1944 bei einer Razzia (wie sie
insbesondere in Aufstandsgebieten oft als Repressalie durchgefĂĽhrt wurden) verhaftet
und in das Lager Crveni Krst in Niš eingewiesen. Drei Wochen später wurde er in das
Lager Banjica verlegt, von wo aus er am 11. September 1944 mit dem vorletzten Transport
aus Serbien nach Mauthausen deportiert wurde. Nach drei Wochen Quarantäne, wäh-
rend der er im Wiener Graben Steine schleppen musste, wurde Vladi mir Jovanović nach
Gusen II verlegt. Dort arbeitete er beim Bau der unterirdischen Messerschmitt-Werke.
Zwischen Jänner und März 1945 verbrachte der vom Hunger Gezeichnete mehrere Wo-
chen im Krankenrevier in Gusen I, wo er sich so weit erholte, dass er die letzten Kriegs-
monate in Gusen II überstand. Nach der Befreiung wurde Vladimir Jovanović in einem
US-Militärlazarett gesund gepflegt und kehrte im Spätsommer 1945 als einer von wenigen
Überlebenden in sein Heimatdorf zurück. Später arbeitete er in seinem erlernten Beruf
und gründete eine Familie. In seiner knappen, chronologisch aufgebauten Erzählung geht
Vladimir Jovanović oftmals auf seine Gefühle ein. So thematisiert er beispielsweise, dass
er während seiner KZ-Haft mehrmals dem Selbstmord nahe war.
Vladimir Jovanović’ Verfolgungsgeschichte beginnt mit seiner Verhaftung bei einer
vom Serbischen Freiwilligenkorps und von deutschen Polizeikräften durchgeführten
Razzia, zu der Partisanenaktivitäten in der Umgebung seines Dorfes Anlass gegeben
hatten.112 In seinem Bericht ĂĽber die Haft in den Lagern Crveni Krst und Banjica the-
matisiert Vladimir Jovanović neben den schwierigen Lebensbedingungen, dem stren-
gen Regime und den erlittenen Misshandlungen auch die Angst, die die häufigen Hin-
richtungen bei den Gefangenen hervorriefen.113 Die siebentägige Deportation nach
Mauthausen war von konkurrierenden Schrecken gekennzeichnet : «Das Schlimmste
während der Fahrt war, dass Leute gestorben sind. Ah, man konnte auch nirgends die
Notdurft verrichten. […] Am schlimmsten [betont] war das mit dem Wasser.»114 An-
schaulich schildert Vladimir Jovanović den Zustand der Häftlinge bei der Ankunft :
«Als sie uns am Bahnhof herausgejagt haben, haben wir ausgeschaut wie Betrunkene. […]
Es war frĂĽh am Morgen. Die Deutschen haben/ dann haben diese/ die Ortsbewohner haben
111 Vgl. ebd.
112 Vgl. AMM, MSDP, OH/ZP1/674, Interview mit Vladimir Jovanović, Interviewer : Predrag Marković,
Niš, 18. 12. 2002, Übersetzung.
113 Vgl. ebd.
114 Vgl. ebd.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen