Page - 288 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
Image of the Page - 288 -
Text of the Page - 288 -
288 | Barbara N. Wiesinger
uns auch so abfällig angeschaut und uns ‹Wilde› genannt. Wir haben auch wirklich so ausge-
schaut nach dieser Reise und dieser Misshandlung.»115
Ähnlich eindrücklich formuliert Vladimir Jovanović die durch den Aufnahmeprozess
in Mauthausen vollzogene Transformation : Die Häftlinge hätten nach der Einkleidung
«wie Irre» ausgesehen und seien «wie Sardinen» in ihre Unterkünfte gepresst wor-
den.116 Die kurze Quarantäne leitet sodann zu seinen eigentlichen Lagererfahrungen
über.
Als letzter MSDP-Biograf aus dem heutigen Serbien soll Ivan Herman vorgestellt
werden. Ivan Herman wurde 1923 als Sohn jüdischer Kaufleute in Subotica geboren.
Während ein Großteil der im «Militärverwaltungsgebiet Serbien» ansässigen Juden
wie bereits ausgeführt sehr schnell der Shoah zum Opfer fiel, blieb dies der jüdischen
Bevölkerung des ungarisch besetzten Nordserbien vorerst erspart. So musste der da-
mals zionistisch orientierte Ivan Herman aufgrund antisemitischer Schulgesetze zwar
seine Gymnasialausbildung abbrechen, konnte aber eine Elektrikerlehre beginnen
und sich weiterhin sportlich betätigen. Im März 1944 wurde der Biograf zum Ar-
beitsdienst einberufen und leistete Zwangsarbeit in Hódmezővásárhely und Buda-
pest. Nach der Machtübernahme der Pfeilkreuzler floh er gemeinsam mit Kameraden
aus dem Lager, meldete sich aber einige Tage später zu einem als sicher geltenden
Zwangsarbeitskommando. Die ungarische Polizei lieferte dieses Kommando jedoch
bald an die Deutschen aus, die die Männer nach Kőszeg (Güns) deportierten. Ivan
Herman überlebte den Todesmarsch von Kőszeg nach Mauthausen und verbrachte
die letzten Monate im Außenlager Gunskirchen. Nach der Befreiung wurde Ivan Her-
man von einem oberösterreichischen Bauern aufgenommen und gepflegt. Am 22. Juli
1945 kehrte er nach Subotica zurück. Später war Ivan Herman in leitenden Funk-
tionen unter anderem in der Textilbranche tätig und gründete eine Familie. Seine
relativ knapp gehaltenen Erinnerungen geben dennoch interessante Einblicke in die
Geschichte einer in der regionalen Literatur selten behandelten Gruppe von Mauthau-
sen-Überlebenden aus Serbien.
Ivan Hermans Verfolgungsgeschichte beginnt mit seinem Zwangsarbeitseinsatz
in ungarischen Ziegeleien und Papierfabriken. Dabei hebt er die Willkürherrschaft
der Lagerwachen und die Bombardements der Alliierten, denen die Zwangsarbeiter
schutzlos ausgeliefert waren, hervor. Nach der Auslieferung an deutsche Truppen
wurde Ivan Herman in Kőszeg beim Bau von Befestigungsarbeiten eingesetzt.117 Über
den anschließenden Todesmarsch nach Mauthausen erzählt er nur wenig :
115 Vgl. ebd.
116 Ebd.
117 Vgl. AMM, MSDP, OH/ZP1/670, Interview mit Ivan Herman, Interviewer : Predrag Marković, Novi
Sad, 14. 12. 2002.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
back to the
book Deportiert nach Mauthausen, Volume 2"
Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen