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296 | Katrin Auer
«Es kamen die anderen Gefangenen, um uns zu sehen und uns zu fragen, wie das passiert
ist, dass sie die Fahne von der Akropolis runterholen konnten. Es war etwas, das in keinem
anderen Land passiert war, und noch mehr, als eine Akropolis, ist nicht geschehen. Das heiĂźt,
ich sage das im ĂĽbertragenen Sinn, und weil gewiss die Akropolis von Athen die Akropolis
von Europa ist, und sie zu jener Zeit die Akropolis des besetzten Europas war. Das ist eine
gesamteuropäische Legende geworden und wie es scheint eine Legende und ein Mythos des
Trostes zusammen.»16
Innerhalb weniger Wochen bildeten sich unzählige Widerstandsgruppen und mach-
ten mit Parolen an Hauswänden auf sich aufmerksam. Sowohl in Städten als auch in
Dörfern waren junge Frauen und Mädchen aktiv, die in diesem politischen und auch
militanten Engagement eine Chance auf die eigene Emanzipation sahen.17 Die ersten
Formen bewaffneten Widerstandes wurden von Einzelpersonen oder kleinen Grup-
pen als Spionage und Informationsbeschaffung betrieben. Dies fĂĽhrte schon Ende Mai
1941 zur Sprengung zweier Schiffe im Hafen von Piräus und eines Munitionslagers in
Thessaloniki. Der Widerstand wurde teilweise auch von griechischen Behörden unter-
stĂĽtzt, so zum Beispiel im Juni 1941, als Dorfpolizisten in Kreta britischen Soldaten
gefälschte Personalausweise ausstellten, um ihnen bei der Flucht zu helfen.
Der organisierte militante Widerstand setzte im Sommer 1941 ein, als griechische
Soldaten im Norden Wehrmachtseinheiten angriffen und Sabotageakte auf die dortige
Bahnlinie durchfĂĽhrten. Die Wehrmacht reagierte sofort mit VergeltungsmaĂźnahmen,
bei denen mehrere Dörfer niedergebrannt und Hunderte griechische Männer erschos-
sen wurden. Allein im Oktober 1941 wurden in der deutschen Zone rund um Thessa-
loniki 488 Griechen erschossen und 164 «Geiseln» festgenommen.18
Im Herbst 1941 entstanden die beiden größten militanten Widerstandsorganisa-
tionen : Die Kommunistische Partei initiierte die GrĂĽndung der EAM (Ethniko Ape-
leftherotiko Metopo – Nationale Befreiungsfront) und ihres militärischen Arms ELAS
(Ethnikos Laikos Apeleftherotikos Stratos – Nationale Volksbefreiungsarmee).19 Einige
Zeit später wurde in Athen der EDES (Ethnikos Dimokratikos Ellinikos SyndesmosÂ
– Na-
tionaler Republikanischer Griechischer Bund) gegrĂĽndet.20 Ende November 1942 ge-
lang ELAS und EDES gemeinsam mit britischen Einheiten ein spektakulärer Sabotage-
akt : die Sprengung der Gorgopotamos-Brücke und somit die Zerstörung der zentralen
Nord-SĂĽd-Eisenbahnverbindung.21 Doch alle weiteren britischen Koordinationsversu-
che zwischen EAM/ELAS und EDES scheiterten sowohl an der antimonarchistischen
16 AMM, MSDP, OH/ZP1/625, Interview mit Iacovos Kambanellis, Interviewer : Gregorios Psallidas, Athen,
19. 12. 2002, Übersetzung, Z. 57–67.
17 Vgl. Eleni Fourtouni : Greek Women in Resistance. Journals – Oral Histories, Chicago 1986, S. 35.
18 Vgl. Mazower, Inside Hitler’s Greece, S. 87.
19 Vgl. Fleischer, Im Kreuzschatten der Mächte, S. 94.
20 Vgl. Mazower, Inside Hitler’s Greece, S. 106.
21 Vgl. Richter, Griechenland im Zweiten Weltkrieg, S. 22.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen