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298 | Katrin Auer
Bericht der griechischen Exilregierung zufolge wurden bis Juli 1944 infolge von «Süh-
nemaßnahmen» 879 Dörfer teilweise und 460 vollkommen zerstört.30
Im Athener Haftlager Chaidari wurden schon unter dem Metaxas-Regime Kommu-
nisten und Kommunistinnen interniert. Unter deutscher Besatzung wurde das Lager
zur Inhaftierung von «Geiseln», die bei Straßenrazzien in Athen festgenommen worden
waren, und als Sammellager für Juden und Jüdinnen, bevor sie nach Auschwitz depor-
tiert wurden, genutzt. Tatsächlich herrschten unter der SS-Lagerleitung unmenschli-
che Zustände, da die Gefangenen unzureichend untergebracht waren und medizinisch
nicht versorgt wurden sowie physischer Gewalt ausgesetzt waren, die in täglichen und
willkürlichen Geiselerschießungen gipfelte.31 Im Oktober 1943 waren 1200 Menschen
inhaftiert und bis August 1944 stieg die Zahl der Gefangenen aufgrund der Massen-
verhaftungen von Juden massiv an. Viele der bei Razzien willkürlich festgenommenen
Athener meldeten sich in Chaidari «freiwillig» zur Arbeit im Deutschen Reich, um so
der Haft zu entkommen. Bei einem der letzten Transporte im August 1944 ging die
Zugfahrt über Wien in das KZ Ebensee, wo man die Kranken zurückließ, während
der restliche Transport zur Zwangsarbeit in die Nähe von Essen gebracht wurde.32 Bis
zur Auflösung des Lagers im September 1944 waren schätzungsweise insgesamt 25.000
Menschen in Chaidari inhaftiert.33
Die Verfolgung der Juden im deutschen Machtbereich
Die Ursprünge der jüdischen Gemeinden in Griechenland reichen bis in die Antike zu-
rück und über die Jahrhunderte nahm ihre Zahl aufgrund jüdischer Fluchtbewegungen
aus anderen europäischen Ländern stetig zu. In Thessaloniki war im Jahr 1912 mehr als
die Hälfte der Bevölkerung mosaischen Glaubens, weswegen die Stadt auch «Klein-Jeru-
salem» oder «Königin von Israel»34 genannt wurde. Im Unterschied zu anderen jüdischen
Gemeinden in Griechenland kam es zu keiner Assimilierung, da in Thessaloniki die Spra-
che und die sephardischen Traditionen bewahrt wurden. Als Folge der Massenvertreibung
der griechischen Bevölkerung aus der Türkei hatte sich jedoch ab 1922 das demografische
Verhältnis umgekehrt, sodass die jüdische Gemeinde in Thessaloniki im Jahr 1943 mit
30 Vgl. Mazower, Inside Hitler’s Greece, S. 183.
31 Vgl. ebd., S. 228.
32 Vgl. Gonsa, Griechen in Linz, S. 607 f.
33 Vgl. Ralph Klein : Chaidari, in : Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Bd. 9 : Arbeits-
erziehungslager, Ghettos, Jugendschutzlager, Polizeihaftlager, Sonderlager, Zigeunerlager, Zwangsarbei-
terlager, München 2009, S. 559–572, hier 560.
34 Vgl. Hagen Fleischer : Griechenland, in : Wolfgang Benz (Hg.), Dimensionen des Völkermords. Die Zahl
der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus, München 1996, S. 241–274, hier 243. Zur Geschichte Thes-
salonikis siehe Mark Mazower : Salonica, City of Ghosts. Christians, Muslims and Jews, 1430–1950, New
York 2004.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen