Page - 308 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
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308 | Katrin Auer
die Gefangenen drei bis vier Tage im Freien festgehalten und vom Roten Kreuz ver-
pflegt, aber auch Einheimische warfen ihnen Brot zu. Danach wurden sie per Schiff
über Kefalonia nach Patras und in das Athener Haftlager Chaidari gebracht. Am
21. Juni 1944 schließlich wurden sie in Viehwaggons nach Auschwitz deportiert, wo
der Zug wahrscheinlich am 29. Juni ankam.76 Über den Transport berichtet die damals
23-jährige Matthilde Levy :
«Sie gebaren dort drinnen, wir hatten Ärzte, wir hatten Hebammen dort, ja. Aber sie starben
danach. Ein jeder, der starb, den packten wir, Alte und Junge, und warfen ihn vom Waggon
hinunter.»77
In Rhodos, das offiziell italienisches Staatsgebiet war, wurden 1673 Juden und Jüdin-
nen verhaftet – unter ihnen auch ein im MSDP interviewter Überlebender : Rahamin
Cohen (1916–2009)
– und gemeinsam mit 83
Juden von der Insel Kos am 24. Juli 1944
per Schiff nach Athen gebracht, während 50 türkische Juden und Jüdinnen aufgrund
des Einsatzes des türkischen Konsuls in Rhodos vor der Deportation gerettet wurden.
Die Deportation der jüdischen Gemeinde von Rhodos ging ebenso über Chaidari nach
Auschwitz, wo der Zug am 16. August 1944 eintraf.78 Dies war der letzte Transport von
griechischem Boden.
Insgesamt wurden 58.585 Juden und Jüdinnen von Griechenland nach Auschwitz,
Bergen-Belsen und Treblinka deportiert. 40.000 Erwachsene und Kinder wurden sofort
nach der Ankunft in Birkenau ermordet. Am 2. September 1944 waren von den grie-
chischen Juden in Birkenau 1739 Männer und 731 Frauen noch am Leben. Bis Ende
1945 kehrten ca. 2000 Überlebende nach Griechenland zurück. 56.385 griechische Ju-
den und Jüdinnen waren in den Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet
worden, weitere 2500 Menschen waren in Griechenland ums Leben gekommen.79
76 Yad Vashem, Zugfahrten in den Untergang, URL : https://deportation.yadvashem.org/index.html?langua
ge=de&itemId=5093698&ind=-1 (28. 9. 2020). Czech, Kalendarium, S. 809, nennt den 30. Juni ; von den
2044 Deportierten wurden 446
Männer und 175
Frauen in das Lager eingewiesen und alle anderen in der
Gaskammer ermordet.
77 AMM, MSDP ; OH/ZP1/628, Interview Levy, Z. 222–225.
78 Vgl. Fleischer, Griechenland, S. 266 f.
79 Vgl. ebd., S. 269 ff. Für die Gesamtzahl der griechischen politischen KZ-Häftlinge liegen keine gesam-
melten Daten vor. Dies kann vermutlich mit der griechischen Nachkriegszeit erklärt werden, die durch
den Bürgerkrieg und seine Folgen geprägt war. Denn aufgrund der jahrzehntelangen innergriechischen
Repression gegen Kommunisten und Kommunistinnen nach 1945 und der Tabuisierung des linken Wi-
derstandes wurde die Haftzeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern von den Überlebenden
selbst als ein Zeitabschnitt der Verfolgungserfahrungen gedeutet und nicht stärker gewichtet als die Re-
pression durch griechische Behörden mittels Gefängnis- und Lagerhaft. Siehe Chandrinos/Droumpouki,
The German Occupation and the Holocaust in Greece, S. 31 f. Siehe auch Vivlio mnimis [Gedenkbuch],
Athinai 1979.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen