Page - 315 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
Image of the Page - 315 -
Text of the Page - 315 -
Irina Scherbakowa
Schicksale der Häftlinge aus der Sowjetunion
Um festzustellen und zu analysieren, welche Gruppen sowjetischer BĂĽrger nach Maut-
hausen (und in seine AuĂźenlager) deportiert worden sind, zu welcher Zeit und auf wel-
chen Wegen, müssen wir verständlicherweise in die Zeit zurückgreifen, als am 22. Juni
1941 der Einmarsch der deutschen Armee in die Sowjetunion begann, das heiĂźt an
den Anfang des sogenannten «Großen Vaterländischen Krieges» und an den Beginn
der Besatzung ; denn zunächst einmal muss man nachvollziehen, wo die zukünftigen
Häftlinge sich zu dieser Zeit befanden und wie ihr Leben vor der Deportation verlief.1
Wenn wir chronologisch vorgehen, so gehören die sowjetischen Kriegsgefangenen
zu denen, die früher als andere Gruppen der sowjetischen Mauthausen-Häftlinge in
die deutschen Hände geraten sind. Das betraf besonders diejenigen von ihnen – und
das war die Mehrzahl der von uns BefragtenÂ
–, die in den ersten Wochen und Monaten
des Krieges – einige natürlich auch später, zum Beispiel während der großen deut-
schen Offensive vom Sommer 1942 – in Gefangenschaft gerieten. Das ist auch erklär-
lich, denn die größten Zahlen der sowjetischen Kriegsgefangenen lieferten die ersten
eineinhalb Jahre des Krieges (ca. fünf Millionen bis Jänner 1943).2
Gruppen sowjetischer Mauthausen-Häftlinge
Unter den Kriegsgefangenen, die nach Mauthausen kamen, gab es kaum Frauen.3 Alle
ehemaligen weiblichen Häftlinge, die von uns befragt worden sind, waren entweder
Zwangsarbeiterinnen oder solche, die im Konzentrationslager als «Politische» einge-
1 Die Quellen, die uns die Möglichkeit geben, dieses Thema zu analysieren, bestehen hauptsächlich aus den
ĂĽber 200Â Interviews, die 2002/03 im Rahmen des Mauthausen Survivors Documentation Project (MSDP)
in Russland, WeiĂźrussland und der Ukraine gefĂĽhrt worden sind.
2 Pavel Polian : Sowjetische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene im «Dritten Reich», in : Peter Ruggentha-
ler/Walter M. Iber (Hg.), Hitlers SklavenÂ
– Stalins «Verräter». Aspekte der Repression an Zwangsarbei
tern
und Kriegsgefangenen. Eine Zwischenbilanz, Innsbruck/Wien/Bozen 2010, S. 27–42 ; zur Problematik
der Gesamtzahl der sowjetischen Kriegsgefangenen vgl. Reinhard Otto et al.: Sowjetische Kriegsgefan-
gene in deutschem Gewahrsam 1941–1945. Zahlen und Dimensionen, in : Vierteljahrshefte für Zeitge-
schichte 56.4 (2008), S. 557–602.
3 Dieter Pohl schätzt, dass einige Zehntausend weibliche Armeeangehörige in Kriegsgefangenschaft gerie-
ten. In einigen Wehrmachtseinheiten wurden allerdings Befehle erteilt, dass Frauen in Uniform sofort zu
erschießen seien. Dieter Pohl : Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einhei-
mische Bevölkerung in der Sowjetunion 1941–1944, München 22009 [2008] (Quellen und Darstellungen
zur Zeitgeschichte, 71), S. 205.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
back to the
book Deportiert nach Mauthausen, Volume 2"
Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen