Page - 323 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
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323Schicksale
der Häftlinge aus der Sowjetunion |
sich die Befragten in der Zeit vor der Perestroika an das Vorkriegsleben erinnert ha-
ben – denn alle Interviews mit ihnen wurden zu Beginn der 2000er Jahre geführt, als
das gesellschaftliche Klima es schon erlaubte, sich an schwere Zeiten und Repressio-
nen zu erinnern. Eines ist offensichtlich : Sowohl Repressionen wie auch Hunger und
schwierige Lebensbedingungen, die immer wiederkehrenden Beschreibungen von
winzigen Zimmerchen und Kellerräumen, ewigen Schlangen, Lebensmittelkarten etc.,
all das verträgt sich vollkommen mit der Akzeptanz und aktiven Teilnahme am sow-
jetischen Leben, mit dem obligatorischen Beitritt in die Pionierorganisation und den
Komsomol, mit dem Glauben an Stalin ; vor allem aber mit dem aufrichtigen Glauben
daran, dass es sich vielleicht hier, in dieser konkreten Siedlung oder Stadt, vorerst noch
beschwerlich lebt, dass aber irgendwo gleich nebenan ein lichtes und schönes Leben
existiert. Nur noch ganz wenig, nur noch ein bisschen, und das Leben wird in der Tat
«besser und fröhlicher», wie Genosse Stalin 1937 versprochen hat.
Der Krieg beginnt – Der Weg der Kriegsgefangenen
Wie viele sowjetische Kriegsgefangene in Mauthausen waren, ist bis heute nicht geklärt,
da sie zum Teil nicht registriert, zum Teil aber auch in unterschiedliche Häftlingskate-
gorien eingeteilt wurden. Bereits im Oktober 1941 kamen ca. 4000 sowjetische Kriegs-
gefangen als sogenannte «Arbeitsrussen» in das KZ Mauthausen. Daneben wurde auch
eine bisher nicht bekannte Zahl von Kriegsgefangenen aufgrund der Einsatzbefehle
Nr. 8 und 9 vom Juli 1941 zur Exekution nach Mauthausen gebracht ; es handelte sich
dabei vor allem um Offiziere der Roten Armee. AuĂźerdem wurden sowjetische Kriegs-
gefangene auch als reguläre KZ-Häftlinge in das KZ Mauthausen eingeliefert. Ab Ok-
tober 1943 gelangten schlieĂźlich etwa 5100 Rotarmisten in das Lager, die in Wehr-
machtsverbände – als «Hilfswillige» bzw. Angehörige sogenannter «Landeseigener
Ver bände» – eingegliedert worden waren und wegen disziplinärer Vergehen in ein KZ
eingewiesen wurden. Die letzte große Gruppe bildeten die sogenannten «K-Häftlinge».
Im Rahmen der «Aktion K» wurden ca. 5000 auf der Flucht wiederergriffene Kriegsge-
fangene, zum größten Teil sowjetische Offiziere und Unteroffiziere, zur Exekution nach
Mauthausen gebracht.17
17 Das Archiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen hat 2011 ein Forschungsprojekt unter Leitung von Rein-
hard Otto gestartet. Dank an Reinhard Otto und Andreas Kranebitter fĂĽr die hier genannten Zahlen.
Vgl. Reinhard Otto/Keller, Rolf : Sowjetische Kriegsgefangene im System der Konzentrationslager. Wien/
Hamburg 2019 (Mauthausen-Studien, 14) ; Gregor Holzinger/Andreas Kranebitter : Sowjetische Kriegs-
gefangene im KZ Mauthausen und die Ereignisse der «Mühlviertler Hasenjagd». Perspektiven der For-
schung, in : Bundesministerium für Inneres (Hg.), KZ-Gedenkstätte Mauthausen | Mauthausen Memo-
rial 2010. Forschung – Dokumentation – Information, Wien 2011, S. 57–68. Dagegen veraltet : Aleksej
KonopaÄŤenkov : Sovjetskije usniki w faĹľistskoj sisteme konzlagerej Mauthausen [Sowjetische Kriegsge-
fangene im faschistischen KZ-System Mauthausen], in : Wlast 4 (2009), S. 117–119. Vgl. zu den Zah-
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen