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%6 i. EinfĂĽhrung
Im Ăśbergang von der Klassik zur Romantik tritt die Klarheit des Orchesterklanges
mehr und mehr in den Hintergrund. Durch schnelle Arpeggiaturen, schnelle Läufe oder
auch Triller wird immer wieder die Wahrnehmungsschwelle von 16 Informationen pro
Sekunde ĂĽberschritten. Durch diese rauschhafte Instrumentation werden nicht mehr dif-
ferenziert wahrnehmbare Klangkulissen geschaffen. In der vierten Szene des Rheingold
beispielsweise sind die ersten und zweiten Violinen sowie die Bratschen je achtfach un-
terteilt und dann in Sechzehntel-Sextolen ausgesetzt. Das Ergebnis ist ein elektrisieren-
des Klangbad.
Anstatt der bisherigen doppelten Instrumentenpaarung gibt es in der Romantik die
dreifache — Flöten; 2 Oboen und Englischhorn; 2 Klarinetten und Bassklarinette; zwei
Fagotte und Kontrafagott; vier Hörner; drei Trompeten; drei Posaunen; Tuba; drei Pau-
ken; ein differenzierter Streicherapparat. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hat sich die
Orchesterstärke durch die Vervielfachung der Bläserstimmen und den Einsatz neuer In-
strumente im Verhältnis zur Klassik nahezu verdoppelt. Bei Wagner und Mahler wird
die vierfache Besetzung zur Norm. Die Werke von Richard Strauss oder Gustav Mahler
gelten als Höhepunkt in der Entwicklung, was den raffinierten Einsatz möglichst vie-
ler Orchesterstimmen angeht. In der Partitur des Till Eulenspiegel op. 28 von Richard
Strauss gibt es 4 Flöten; 3 Oboen und ein Englischhorn; 4 Klarinetten; 3 Fagotte und ein
Kontrafagott; 8 Hörner, 6 Trompeten; 3 Posaunen; Tuba. Der Streicherapparat wurde,
um dem ein Gegengewicht zu geben, entsprechend vergrößert und umfasst 16 erste und
16 zweite Violinen, 12 Bratschen und 12 Violoncelli sowie 8 Kontrabässe.
Bis zur Spätromantik waren die Orchesterwerke grundsätzlich nach dem Schema Me-
lodie — Begleitung strukturiert, was bedeutet, dass zwischen Linien- und Flächenfarbe zu
unterscheiden ist. In der impressionistischen Orchestermusik, insbesondere bei Debussy,
rĂĽckt die Farbgestaltung in den Vordergrund, die Melodie wird dieser untergeordnet.
Farbwechsel in Linie und Fläche kommen häufiger, überraschender vor. In Debussys Pre-
lude wechselt die Farbe mitunter taktweise. Im Expressionismus verliert die Flächenfarbe
wieder an Bedeutung. Die Linienfarbe und die Kombination von Linien sind form- und
strukturgebend. Dies fĂĽhrt dann bis zur sogenannten punktuellen Instrumentierung von
Zwölftonkomponisten wie z. B. Anton Webern. In seiner Symphonie Nr. 1 wechseln
nicht nur die Farben taktweise, sondern auch die Oktaven. Die Oktave ist kein Intervall
mehr im eigentlichen Sinne, sondern ein Mittel zur Farbgebung im Sinne von Hell und
Dunkel. Auch das Klavier ist kein Akkordgeber mehr, sondern die Töne werden punk-
tuell eingesetzt. In seinen Orchesterstücken op. 16 setzt Schönberg die Idee dieser Far-
benmelodie konsequent um. In den Variationen op. 31, 8 wechselt die Melodie inner-
halb von zwei Takten von der ersten Klarinette auf die zweite Klarinette und die Celeste,
dann auf Es-Klarinette, Celeste und Glockenspiel, dann auf Piccolo und Xylophon und
Der Filmkomponist Max Steiner
1888 - 1971
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Der Filmkomponist Max Steiner
- Subtitle
- 1888 - 1971
- Author
- Peter Wegele
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 302
- Keywords
- Film Music, Biography, Cinema, Musical science, Musicology, History of Music
- Category
- Biographien