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1.2. Filmmusiktechnik 57
Wagner geradezu eine Matrix fĂĽr jeden Filmkomponisten. Eindeutige Grundtonarten
oder funktions harmonische Beziehungen sind sowohl bei Wagner als auch später in
der Filmmusik weniger von Bedeutung als zum Beispiel das Prinzip der „hellen" oder
„dunklen" Tonalitäten. Wenn man, von C ausgehend, den Quintenzirkel nach oben
spielt, also C-G-D-A usw., werden die Tonarten zunehmend heller, also C—G(+i)-
D(+2)-A(+3) etc. Analog dazu werden diese Tonarten zunehmend dunkler, wenn man
im Quintenzirkel nach unten geht, also C-F(-i)-B(-2)-Es(-3) etc. Dies macht sich der
Komponist bei den sogenannten Mediantenrückungen zunutze. Die Dreiklänge C-Dur
und E-Dur haben den gemeinsamen Ton E. Wenn man nun von der einen in die an-
dere Tonart wechselt, ergibt dies einen Helligkeitssprung von +4. Ebenso effektiv ist der
Wechsel von Dur nach Moll. Es ändert sich nur ein Ton, noch dazu der mittlere. So
hat C-Dur E als Terz, c-Moll hat die Terz Es. Doch liegen zwischen E(+4) und Es(-3)
hörpsychologische Welten. Dies macht den Reiz und die besondere Dramatik dieser
harmonischen Ăśberraschungen aus, mit denen unterschwellige oder auch abrupte Stim-
mungswechsel erzeugt werden.
1.2.6.2. Underscoring
Max Steiner fĂĽhrte zu Beginn der DreiĂźigerjahre in Hollywood das sogenannte un-
derscoring ein. Beim underscoring unterlegt man eine dramatische Handlung oder einen
Dialog mit Musik. Bisher war es ĂĽblich gewesen, die Quelle der Musik im Bild zu zei-
gen, und der Musik wurde nicht mehr zugestanden, als dass sie unterhaltende Drein-
gabe war, das bildliche Geschehen lediglich untermalend. Nun war sie viel mehr. Sie
illustrierte nicht mehr nur. Besonders das Unterlegen von Dialogen mit Musik eröffnete
den Filmkomponisten völlig neue Möglichkeiten. Dabei ist die Verbindung von rezitie-
render Sprache mit Musik eine der ältesten kulturellen Errungenschaften, seien es reli-
giöse Rituale, sei es das antike Drama. Auch in der Klassik gab es die Verbindung von
Dichtung und Musik. Beethoven schrieb Musik zu Goethes Egmont (1809/1810; op. 84;
Untertitel: Musik zur Tragödie von Johann Wolfgang von Goethe) und Mendelssohn
zu Shakespeares Sommernachtstraum (1843; op. 61; BĂĽhnenmusik zu Shakespeares Som-
mernachtstraum). Die Musik kann einerseits die sprachliche Intention und GefĂĽhlswelt
intensivieren oder nuancieren. Sie kann aber auch Schattierungen sichtbar machen, die
jenseits der sprachlichen Ebene liegen. Als Hugo von Hofmannsthal (1874—1929) an
dem Libretto zu der Oper Frau ohne Schatten von Richard Strauss arbeitete, schrieb er
diesem am 20. Januar 1913 einen Brief, worin er auf dieses melodramatische Potenzial
der Musik einging.
Der Filmkomponist Max Steiner
1888 - 1971
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Der Filmkomponist Max Steiner
- Subtitle
- 1888 - 1971
- Author
- Peter Wegele
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 302
- Keywords
- Film Music, Biography, Cinema, Musical science, Musicology, History of Music
- Category
- Biographien