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3-5- Die Musik 141
persönlichen Erlebnisebene des Protagonisten ausgegangen, mal von der quasi objektiven
Perspektive des Zuschauers. Oft wird auch zwischen der emotionalen Mischung und der
sogenannten dokumentarischen Mischung gewechselt, bei welcher das Hauptaugenmerk
auf eine möglichst realistische Wiedergabe des Originalklangbildes gelegt wird.
Da das Mischungsverhältnis in den älteren Filmen stets zuungunsten der Musik aus-
fällt, kommt man nicht umhin, sich um die Originalnoten zu bemühen. Zum einen ist
das die handgeschriebene Skizze Steiners, die im Archiv der Harold B. Lee Library in
Provo/Utah aufbewahrt wird, zum anderen dienten als Analysegrundlage sowohl die aus-
gefertigte Partitur von Hugo Friedhofer als auch der Conductor Part, beides einzusehen
im Archiv der Warner Bros, in Los Angeles.
Der Conductor Part, auch Particell genannt, ist eine reduzierte Version der Partitur
in drei oder vier Systemen, die von den Dirigenten üblicherweise im Musiktheater, also
bei Operetten und Musicals, verwendet wird. Für einen Dirigenten, der ein Stück nicht
kennt, ist es im Normalfall schwer, nur mit dieser gestutzten Partitur eine Aufführung
zu leiten. Einem routinierten musikalischen Leiter allerdings, der, wie es damals üblich
war, eine Show mehrere Hundert Mal aufführte, half diese auf das Wesentliche reduzierte
Partitur, mehr auf das Geschehen auf der Bühne eingehen zu können. Auch für einen Di-
rigenten von Filmmusik, der bei seiner Arbeit vor allem auf ein exaktes Übereinstimmen
von Leinwandaktion und Musik achten muss, ist das Particell eine Arbeitserleichterung.
Max Steiner, der viele Jahre seines Lebens sowohl Operetten als auch Musicals diri-
giert hatte, war mit dieser Form der Partitur sicherlich höchst vertraut. Da bei der Film-
musik neben der Komposition vor allem die Interpretation wichtig für das Funktionieren
ist, übernimmt der Komponist, sofern er es kann, das Einspielen der Musik. Norbert J.
Schneider schreibt in seinem Buch Komponieren ßir Film und Fernsehen, dass die Nota-
tion einer Filmmusik noch nicht viel über den tatsächlichen emotionalen Gehalt aussagt.
„Die traditionelle Kompositionstheorie und auch die Musikwissenschaft haben noch we-
nig bedacht, dass Musik aus der Dreiheit von Körper-Seele-Geist besteht und auch erst
in dieser Dreiheit den Hörer anspricht ... Filmmusik ist in diesem Sinne ganzheitliche
Musik ... deshalb kommt nach dem ersten Schritt des ,componere' (des logischen Zu-
sammenfugens notierbarer Töne) sofort der zweite Schritt des Interpretierens. Erst hier
erhält Filmmusik ihren wahren Wert: sie braucht — da sie vornehmlich eine expressive
und psychologisch beschreibende Musik ist — jene Zwischentöne, jene Spannungen und
psychologischen Einfarbungen, jene Feinheiten und Cent-Abweichungen von festgelegten
Tonhöhen..."239
239 Norbert Jürgen Schneider. S. 20.
Der Filmkomponist Max Steiner
1888 - 1971
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Der Filmkomponist Max Steiner
- Subtitle
- 1888 - 1971
- Author
- Peter Wegele
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 302
- Keywords
- Film Music, Biography, Cinema, Musical science, Musicology, History of Music
- Category
- Biographien