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20 Mobile Culture Studies | >mcs_lab> 1 (2020)
Valentino Filipovic | Gespräche im Gehen
Im nächsten Abschnitt werde ich jeweils einen kurzen Einblick in drei Stadtspaziergänge
geben. Dabei möchte ich verdeutlichen, was in der Begegnung bzw. Nicht-Begegnung als einer
gelebten Stadterfahrung der Menschen steckt. Dabei zeigt sich auch die Bedeutung der kon-
kreten Orte, an denen diese Erfahrungen gemacht wurden. Denn diese Erfahrungen schreiben
sich für meine Interviewpartner/-innen in die Textur des Ortes ein und werden auf den Streif-
zügen durch die Stadt zu einem anderen Zeitpunkt wieder erlebbar.
25. Oktober, sonniges Wetter, Stadtparkbrunnen
D.: „Während der Jugendzeit hat man sich am Wochenende zuerst am Jako getroffen... Der
Jako war unser zentraler Treffpunkt, von dem aus das Abendprogramm geplant wurde … Man
hat sich eine bestimmte Uhrzeit ausgemacht und geschaut, dass man ungefähr zu der Zeit dann
da ist … Wer früher dort war, hat halt auf die anderen gewartet – entweder vor dem Bus des
anderen, oder irgendwo am zentralen Teil des Platzes, wo fast die meisten aus- und umsteigen.
Während dieser Wartezeit konnte man auch andere Personen treffen, die man über ein, zwei
Ecken kannte, die zwar ihre eigenen Pläne hatten, sich oft aber meist trotzdem angeschlossen
haben und in den Park mitgekommen sind. Man konnte gar nicht wissen, wen man dort alles
so trifft, manchmal hat man wen getroffen, den man schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen
hat. Diese unerwarteten Begegnungen waren spannend und schön. Es gibt so Orte in der Stadt,
da hat man das Gefühl, dass dir wer Unerwartetes begegnen wird, weil sie eine Art von Men-
schen anziehen. Und es gibt Orte, da hat man so ein Gefühl nicht.“
V.: „Was hat man dann gemacht?“
D.: „Zum Spar einkaufen, in den Park gegangen, dort Zeit verbracht, miteinander getrunken,
andere Leute getroffen und kennengelernt. Weißt‘, der Park war so eine Mischung aus: ‚Ich geh
hin da mit meinen Leuten, die ich kenne und die ich mag.‘ Auf der anderen Seite auch so: ‚Ich
geh hin, weil ich weiß, dass dort andere Leute auch sind, die ich noch nicht kenne, die aber
ähnlich ticken.‘ Ihr Ethnologen würdet sagen: ‚die einen ähnlichen Habitus haben.‘ Der Stadt-
park war der ideale Ort, um diesen anderen Leuten zu begegnen. Manchmal sind interessante
Begegnungen draus entstanden, manchmal hamma auch Stress gekriegt mit anderen. Aber
das Unerwartete war halt das Spannende, das war so ein richtiger Melting Pot aus allen mög-
lichen Leuten und Biographien. Damit muss man auch erst mal klarkommen, aber ich hab’s
gemocht, weil ich da einfach viel über menschliches Miteinander und Umgang gelernt habe.
[…] Dadurch sind viele Begegnungen passiert, die länger nachwirkten und bis heute nachwir-
ken bei mir.“
23. Oktober, Mittagszeit, sonniges Wetter, untere Sporgasse
A.: „Weißt du, ich find’s schon ein wenig schräg. Ich kenne diese Person und er kennt mich.
Aber wieso bleiben wir nicht stehen, quatschen miteinander oder tauschen ein paar Nettigkei-
ten aus? Sonst tun wir das auch, wenn wir uns woanders treffen. Auf der Straße macht man so
was nicht… die Straße ist nicht der richtige Ort dafür. Schon gar nicht hier die Sporgasse, wo
jeder nur schnell durchgeht. Nicht nur, weil du gerade bei mir bist, das hat keinen Einfluss. Mir
passiert das öfters, dass ich an Leuten vorbeigehe, die ich kenne, und wir uns nur ein kurzes
Hallo rüberwerfen... Manchmal möcht ich ja nicht wirklich mit den Leuten quatschen, weil
>mcs_lab>
Mobile Culture Studies, Volume 1/2020
The Journal
- Title
- >mcs_lab>
- Subtitle
- Mobile Culture Studies
- Volume
- 1/2020
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2020
- Language
- German, English
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 108
- Categories
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal