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Mobile Culture Studies | >mcs_lab> 1 (2020)
Anna Riegler | Die urbane Zeichenlandschaft 69
Raum-Nutzung werden entsprechend der sozialen Position erlernt und drĂĽcken sich im Habi-
tus aus. Auf der sozialen Ebene bedeutet Raumaneignung die routinierte Raumnutzung, die
intentionale Raumbesetzung sowie auch die KnĂĽpfung und Aufrechterhaltung sozialer Netz-
werke, die Zugänge zu Räumen verschaffen können.30 Auf dieser Ebene kann das Einüben der
internen ,,Regeln“ der Akteur*innen gefasst werden sowie auch die Gruppenprozesse und Ver-
netzungen von Graffiti- oder Street-Art-Crews.
Die vierte Ebene stellt die normativ-regulative Ebene dar. Die Regulierung der Räume
verdeutlich Etzold mit dem Begriff der Governance öffentlicher Räume. Im Sinne Bourdieus
versteht er darunter ,,die intentionale, aber zum Teil subtile Steuerung gesellschaftlicher Verhal-
tensweisen durch machtvolle Akteure, welche die spezifischen Spielregeln der Interaktion und
der Raumordnung setzen, kontrollieren und sanktionieren und so die sozialen Praktiken von
anderen Akteuren im öffentlichen Raum maßgebend beeinflussen“31. Raumaneignung bedeu-
tet in diesem Zusammenhang das EinĂĽben der gesellschaftlich akzeptierten und erwĂĽnschten
Verhaltensweisen, aber auch die aktive Veränderung dieser gesetzlich durchgesetzten und nor-
mativen Zugangs- und Nutzungsregeln.32 In Bezug auf den Stadttext umfasst diese Ebene die
gesetzlichen Regelungen, wer was in den Stadttext einschreiben darf sowie auch das Aufbre-
chen dieser Regulierungen, indem sich Akteur*innen unautorisiert in den Raum einschreiben.
Außerdem können auf dieser Ebene auch die Kontrolle und Überwachung öffentlicher Räume
betrachtet werden.
Die fĂĽnfte, die symbolische Ebene behandelt die Bedeutungsproduktion fĂĽr die Aneignung
öffentlicher Räume. Individuen nehmen öffentliche Räume, die auch der Repräsentation die-
nen, unterschiedlich wahr und schreiben bestimmten Räumen eine mehr oder weniger große
Bedeutung zu.33 Ein Beispiel für die Bedeutung bestimmter Räume stellen Innenstädte dar.
Diese gelten als besonderes Kapital einer Stadt. Sie sind ein wichtiger Standort fĂĽr den Einzel-
handel, gleichzeitig spielt ihr Zustand fĂĽr den Tourismus eine wichtige Rolle. Stadtpolitiken
forcieren deswegen vor allem in Innenstädten ein ansprechendes Stadtbild. Bei Einschreibun-
gen in den Stadttext hängt die Auswahl der Fläche häufig mit der zugeschriebenen Bedeutung
eines Ortes zusammen. Einerseits kann eine persönliche Bedeutung dahinterstehen oder die
Akteur*innen achten darauf, dass das Werk mit der Umgebung harmoniert. Andererseits ist der
Ort – vor allem beim Signatur-Graffiti – ausschlaggebend für die Bekanntheit innerhalb der
Szene, da besonders gefährliche Plätze höhere Anerkennung bringen.
Die Fähigkeit, sich Raum anzueignen und zu beherrschen, steht in engem Zusammenhang
mit der Verfügung über soziales, kulturelles und ökonomisches Kapital. Bourdieu bezeichnet
die ,,Herrschaft über den Raum“ als ,,eine der privilegiertesten Formen der Herrschaftsaus-
übung“34.
30 Vgl. Benjamin Etzold: Die umkämpfte Stadt., S. 194f.
31 Ebd., S. 195
32 Vgl. ebd.
33 Vgl. ebd., S. 195f.
34 Pierre Bourdieu: Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum. In: Martin Wentz (Hg.): Stadt-Räume.
Frankfurt am Main 1991, S. 25-34, hier S. 30.
>mcs_lab>
Mobile Culture Studies, Volume 1/2020
The Journal
- Title
- >mcs_lab>
- Subtitle
- Mobile Culture Studies
- Volume
- 1/2020
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2020
- Language
- German, English
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 108
- Categories
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal