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(2020)Daniela
Sobocan | „Parklets“ in Wien
Nachbarschaft und Nutzung der Freiräume übernommen, woran sich viele Vereine mit gesell-
schaftlichen Anliegen beteiligt haben. In diesem Sinne lässt sich fragen, ob es sich bei den
Parklets um eine politische Aktionsform, um Kunst oder um Stadtteilmanagement handelt –
oder vielleicht auch um alles zusammen, weil die verschiedenen Handlungsmodi nicht so leicht
voneinander zu trennen sind. Nach Jacques Rancière [ist]
„Kunst […] dadurch politisch, dass sie einen bestimmten Raum und eine bestimmte Zeit
aufteilt, und dass die Gegenstände, mit denen sie diesen Raum bevölkert, und die Rhyth-
men, in die sie die Zeit einteilt, eine bestimmte Form der Erfahrung festlegen, die mit
anderen Formen der Erfahrung übereinstimmt oder mit ihnen bricht.“25
Parklets brechen mit der Erfahrung, dass Parkplätze nur von Autos oder gewerblich in
Form von Gastgärten genutzt werden können. Stattdessen können Menschen ohne Konsum-
zwang draußen verweilen und Kinder können auf den Parklets spielen. Manche besitzen eine
eigene Einrichtung dafür, wie Sandkästen, oder die Parklets werden im Sinne eines partizipa-
torischen Angebotes ganz von Kindern hergestellt. Eng damit verbunden sind Konflikte, wie
diese Räume genutzt werden und für wen sie da sein sollen. Politik ist nach Jacques Rancière
„[…] der Konflikt um die Frage, welche Gegenstände diesem Raum [dem Raum der gemein-
samen Angelegenheiten] angehören und welche nicht, welche Subjekte daran teilhaben und
welche nicht.“26
Die Konflikte um städtische Raumnutzungen waren schon immer da, weil nicht jeder von
Parkplätzen profitiert, besonders wenn es zu Lasten der Gehsteigbreite, Begrünung oder von
Sitzplätzen geht. Kunst hat die Möglichkeit, auf eine andere Art und Weise über diese Themen
zu diskutieren, als es zum Beispiel gesellschaftliche Initiativen tun. Gleichzeitig bietet es für
gesellschaftlich engagierte Vereine die Möglichkeit, politisches und künstlerisches zu verbinden.
Nach Paula Marie Hildebrandt entzünden sich „an Kunstprojekten (zumeist an zentralen
Orten) im Stadtraum oftmals kontroverse Debatten über aktuelle gesellschaftliche Fragestellun-
gen, Problemlagen und Konfliktlinien.“27 Den KünstlerInnen geht es darum, etwas zuvor nicht
Erfasstes sichtbar zu machen und um die Hinterfragung von Selbstverständlichkeiten.28 Nach-
dem ein Parkplatz, der früher für Autos frei war, nun mit einem Parklet besetzt ist, müssen sich
AutofahrerInnen und Vorbeigehende fragen, ob die Dominanz des Autos im Straßenverkehr
selbstverständlich ist, was einen Konflikt sichtbar macht. Gleichzeitig muss darauf aufmerksam
gemacht werden, dass das transformative Potential durch die äußere Ähnlichkeit der Parklets zu
Gastgärten eingeschränkt ist. Gerade in Bezirken mit vielen Restaurants, wie im siebten Bezirk,
wird die Hinterfragung nur mäßig geschehen, da es bereits einige Parkplätze gibt, die durch
Schanigärten besetzt sind. Dies könnte, neben der Vielzahl an alternativen Geschäften (Fair-
trade, etc.), ein Grund für die größere Anzahl an Parklets und deren höhere Akzeptanz sein.
Mit den Parklets werden indirekte und direkte Forderungen an eine Stadt formuliert. Sie
bieten Gestaltungsfreiheit innerhalb eines rechtlichen Möglichkeitsrahmens, den die Stadt
Wien gewährt. Laut StVO dürfen auf den Parkplätzen keine Gegenstände abgestellt wer-
25 Jacques Rancière: Die Aufteilung des Sinnlichen. Die Politik der Kunst und ihre Parodoxien. Berlin 2008. S. 77.
26 Ebd.
27 Paula Marie Hildebrandt: Urbane Kunst. S. 719.
28 Vgl. Ebd. S. 720.
>mcs_lab>
Mobile Culture Studies, Volume 1/2020
The Journal
- Title
- >mcs_lab>
- Subtitle
- Mobile Culture Studies
- Volume
- 1/2020
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2020
- Language
- German, English
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 108
- Categories
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal