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Mobile Culture Studies The Journal
Mobile Culture Studies - The Journal, Volume 1/2015
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Mobile Culture Studies. The Journal 1 2o15 Joachim Schlör | Die Schiffsreise als Übergangserfahrung in Migrationsprozessen 21 Eltern und Großeltern, die zum Teil noch während der Passage geschrieben wurden. Im Anschluss daran zeichnet David Jünger (Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Bran- denburg) die Reise-Erfahrungen deutsch-jüdischer Auswanderer ins britische Mandats- gebiet Palästina nach und stellt dabei die Momente der Reflexion über das Woher und das Wohin in den Mittelpunkt; aus seinem Beitrag wurde bereits ausführlich zitiert. Mit den beiden letzten Aufsätzen kommen wir in der Gegenwart der mediterranen Schiffsrei- sen an. Nataša Rogelja vom Slovenian Migration Institute in Ljubljana analysiert das Leben – und den Lebensstil – einer neuen Gruppe von (freiwilligen) heimatflüchtigen: „[They] adopt mobility as a way of life. They travel, live and work in boats.” Ihr Beitrag beruht auf Gesprächen mit solchen „liveaboards” auf dem Mittelmeer und zeigt, dass die schon fast kli- scheehaft anmutende Idee, es kämen den Leuten beim Betrachten des Meeres und der Wellen interessante Gedanken, im konkreten fall tatsächlich stimmt. Sie fragen nach freiheit und befragen die vertrauten formen von Zugehörigkeit. Die (zeitweiligen) Aussteiger leben, so hat man den Eindruck, mit und auf dem Meer, als wäre das festland die Übergangserscheinung. Aber sie sind, wie eingangs schon bemerkt, durchaus auch bewusste Zeugen der Vorgänge, die Estela Schindel in ihrem abschließenden – und so zentralen – Beitrag dokumentiert. Ihre eth- nographische Untersuchung der Überfahrten von „undocumented travellers to Europe through the Greek-Turkish maritime border area” steht stellvertretend für die Notwendigkeit, diesen aktuellen Ereignissen mehr – politische wie wissenschaftliche – Aufmerksamkeit zu widmen. Dass die Bootsflüchtlinge, um überhaupt eine Rettung erfahren zu können, ihre Schiffe zerstö- ren, ist eine außerordentlich starke Metapher, durch die unser ganzes Konzept und die einzel- nen Beiträge im besten Sinne in frage gestellt werden. Das Schiff ist doch (oder war jedenfalls) ein eigener Ort, ein Ort zwischen den Dingen, ein Niemandsland, auch ein zerbrechlicher Ort, ein Ort der Langeweile, ein Ort des Ent- zückens wie des Grauens zugleich. Wie können wir mit der Ambivalenz, sogar der Paradoxie dieser flüchtlingserfahrungen umgehen? Was bedeutet es, wenn die Erfahrung der Schiffsreise entweder sehr präsent ist (wie bei Mettauer oder Jünger beschrieben) oder in den Erinnerun- gen fast gar nicht auftaucht (wie es in den von August und Janik zitierten Beispielen der fall ist)? Unsere Autorinnen und Autoren haben neue Quellen erschlossen, in der Zusammenschau der Beiträge ergibt sich aber auch die Notwendigkeit, die bereits vorhandenen Quellen neu zu erschließen und anders zu betrachten: mit einem Interesse auch dafür, was ausgelassen wurde. Der „Schlüsselraum” Schiff stellt eine „Krisenheterotopie“ (foucault 33) dar, einen Ort, „dem die merkwürdige Eigenschaft zukommt, in Beziehung mit allen anderen Orten zu stehen”, in dem sich die Dinge, die Selbstverständnisse, die familienbeziehungen, die Zugehörigkeiten oft auf schmerzhafte Weise verändern. Das Innehalten im Dazwischen, die Erfahrung der „Liminalität“, das teils aktive, teils pas- sive Durchleben der Schwellenphase erschafft neue „Gemeinschaften”, von denen manche nur sehr kurzfristig gelten, andere aber bis weit über den Moment der Ankunft hinausreichen. Diese Gemeinschaften stehen oft konträr zu den Ordnungen der alten wie der neuen Zugehö- rigkeit. Die „Anti-Struktur“ der Schiffsreisenerfahrung erschafft eine Unordnung, an die sich die Reisenden noch lange erinnern. Kultur ist hier ganz sichtbar: Prozess, Dynamik, Wandel – 33 vgl. Patrick Baum: „heterotopie“, in: ders./Stefan höltgen (hrsg.): Lexikon der Postmoderne. Personen und Begriffe. Bochum: Projekt 2010, S. 93–94.
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Mobile Culture Studies The Journal, Volume 1/2015
Title
Mobile Culture Studies
Subtitle
The Journal
Volume
1/2015
Editor
Karl Franzens University Graz
Location
Graz
Date
2015
Language
German, English
License
CC BY 4.0
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
216
Categories
Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal
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