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Mobile Culture Studies. The Journal 1 2015
Ursula Feldkamp | Seereiseerfahrungen in zwei Bordtagebüchern des 19. Jahrhunderts 65
verlieren. Wenn Schiffe passierten, waren die frauen für die fremden immer unsichtbar, wie im
folgenden fall, als sich ein Kriegsschiff der „Batavia“ näherte:
„(…) ja, es kam näher, gerade auf uns zu, das stolze Gebäude mit so schrecklich vielen
aufgespannten Segeln, das es wie das höchste haus auf dem Wasser schwebend aussah, wir
saßen hernach oben und sahen es immer näher rücken. Wie es endlich um 3 Uhr ankam –
o, Ihr könnt Euch gar keine Idee von dem prächtig majestätsvollen Anblick machen! Wohl
10 mal wünscht ich, Ihr möchtet es mit mir sehn! Meine Gefährtin und ich waren herunter
in die cajüte gegangen und belauschten es durch ein kleines Nebenfenster, wie es daher
stolzierte, die englische flagge wehte daran und so rauschte es hinter uns weg.“ (15)
Noch in der Erwartung höchster Gefahr gelang es caroline, den Anblick eines großen Schiffes
unter vollen Segeln zu genießen. In ihrer Begeisterung spricht sie die Schwestern direkt an,
wobei die Notwendigkeit, sich zu ihrer eigenen Sicherheit versteckt zu halten, zur Nebensache
gerät. Auch vor dem hintergrund, dass die Gefahr zur Zeit der Niederschrift des Erlebten
bereits Vergangenheit war, erscheint diese haltung bemerkenswert. Die Empfindungslosigkeit
gegenüber der eigenen Gefährdung indiziert carolines Depression. Insgesamt verlief die Reise
sehr stürmisch und dauerte fast neun Wochen. Bei ihrer Ankunft in Baltimore mussten die
Passagiere „der neuen Verordnung nach“ (41) warten, bis der Arzt an Bord kam. Vorher durfte
niemand von Bord, noch durften Besucher zur „Batavia“ übersetzen, eine Geduldsprobe für die
Passagiere, doch nicht für caroline, die in erster Linie Angst verspürte über „die gewöhnliche
Gesellschaft dieses Ortes“. (41)
caroline von Aschen schildert im Bordtagebuch auch ihren Aufenthalt in Baltimore sehr
ausführlich. Dieser Umstand belegt, dass es sich bei der vorliegenden Quelle um eine Abschrift
handeln muss. In ihren Schilderungen werden keine Verpflichtungen in der familie de Block
angesprochen. Lediglich im letzten Teil des Tagebuchs, kurz vor der Rückreise, erwähnt sie,
dass sie am Schneidern von Trauer- und Reisekleidern für ihre Gastgeberin beteiligt war. (116)
hingegen nahm sie in Baltimore an allen Vergnügungen teil, die bei den de Blocks geboten
wurden, seien es Landpartien oder Einladungen bei anderen Deutschen. Immer wieder schil-
dert sie den Schwestern ausführlich ihre Spaziergänge durch die hügelige Landschaft in der
Umgebung Baltimores, die sie im übrigen am liebsten allein unternahm.
„(…) wie viele freude und Entzücken sich über mich ergoß, wie wir so durch die paradie-
sische Gegend fuhren. Ich muß immer jemand plagen mit „ach Gott wie herrlich!“ Sehn
Sie einmal die Aussicht dahin, erst hinunter dann hinauf, - ich sage plagte sie, denn ach, sie
sind dergleichen hier so gewohnt, daß ich oft ihnen die Verwunderung über meine freude
daran anmerke.“ (49) Während caroline ihre Umgebung ausführlich schildert, ist über die
Menschen, die sie umgeben, nur wenig zu erfahren, nicht einmal über Madame de Block,
die sie täglich sah.
Die Ausflüge endeten am 4. August 1801 abrupt mit dem Tod ihres Gastgebers. In den folgenden
14 Tagen blieben Abwechslungen aus, und „die Zeit geht einen Schneckengang“. (60) Dann:
„Den 18ten August besahen wir ein niedliches haus und mietheten es den 19.“ (62) Offenbar
war die Niederlassung aufgegeben worden, ohne dass konkrete Pläne für eine Rückkehr nach
Bremen bestanden, was in den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen England und
Mobile Culture Studies
The Journal, Volume 1/2015
- Title
- Mobile Culture Studies
- Subtitle
- The Journal
- Volume
- 1/2015
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German, English
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 216
- Categories
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal