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66 Mobile Culture Studies. The Journal 1 2015
Ursula Feldkamp | Seereiseerfahrungen in zwei Bordtagebüchern des 19. Jahrhunderts
frankreich begründet liegen könnten, die im März 1802 mit dem frieden von Amiens endeten.
Ende Januar wurde den beiden frauen ihre baldige Rückreise in Aussicht gestellt. Doch
mussten sie darauf warten, dass der Kompagnon de Blocks, der Bremer Kaufmann Delius, den
Zeitpunkt der Abreise festlegte. (104) Die Einträge in das Tagebuch zeugen davon, wie sehr
caroline von dem Gedanken an eine baldige heimkehr nach Bremen besessen wurde.
Am Ende ihres Aufenthalts resümiert sie, dass Baltimore ihr als Wohnort besser gefalle als
Bremen, doch: „Mit Entzücken ließ ich mein Auge umher streifen, gedachte des künftigen 1ten
Maies, wo ich wohl freilich dies alles nicht mehr sehe und genießen kann – also jetzt recht gei-
zig sammeln müsse – aber dagegen andern besseren herzensgenuß mit Wesen, die mich lieben
und verstehen, wenn gleich in minderer schöner Natur haben würde.“ (118)
Bei ihrer Abreise erläutert die erwartungsfrohe caroline die ganz gegenteilige Gefühlslage
der Madame de Block, die Baltimore heimisch geworden war, das sie nun als Witwe unfreiwil-
lig verlassen musste:
„Meine Gefährtin (…) ging weit vor mir an und – weinte; ihre Seele war mit dem schmerzvol-
len Abschied beschäftigt, der ihr hier bevorsteht, sonst hatte sie für nichts Gefühl. freilich
verläßt sie hier vielleicht mehr wie sie wieder findet. Mein fall ist, gottlob anders und so
mußten auch die Empfindungen der Seele sein, gut, daß der Kummer auch nie so tiefe
Wurzeln bei ihr faßt wie bei mir.“ (119)
Am 15. Juni 1802 endlich befand sich caroline an Bord des Seglers „Jupiter“:
„Die Empfindung, wie ich dies Schiff – unsere künftige Wohnung sah – und nun noch
einmal den weinenden freunden adieu sagte mit dem letzten Abschiedskuß, kann ich nicht
beschreiben. Madam Groovemann besonders weinte ganz entsetzlich. Die Damen blieben
am Ufer stehen und die herren gingen mit an Bord, um hernach in einem Boot wieder
zurück zu segeln. Es ging also gleich unter Segel. Dann, nach einer Stunde etwa, gingen
auch die herren und noch standen die verlassenen frauenzimmer in weiter ferne, bemerk-
bar durch die weißen Kleider am Strande.“ (121)
Auf dieser Reise waren keine Gefahren durch Kaper und Kriegsschiffe zu erwarten, und in den
ersten 14 Tagen kam der Segler gut voran, dann beeinträchtigten Gegenwind und Windstille
die fahrt. Doch caroline zweifelte nicht mehr an ihrer wohlbehaltenen Rückkehr, obwohl die
See hoch ging:
„Ich hatte da einen Anblick davon, der war grausend und schön! hier außen stieg ich die
Treppe herauf, blieb auf der obersten Stufe neben dem capt. stehen und blickte so über der
Thür hinten und vorn umher. Wie ein großes Riesengebirge thürmte sich die schrecklich
wogende See vor uns und schien unser Schiff begraben zu wollen, und dann brach sie sich
in großen schäumenden Wellen an den Seitenwänden, wo andere Berge von Wasser ihnen
schon begegneten. Oft flog eine solche über unser Schiff sogar hier hinten über das Steuer-
ruder und prasselte auf das Dachfenster der cajüte. Bei dem allen aber machen wir gute
fortschritte (…)“ Allerdings waren die Auswirkungen des Sturms auf das Schiff diesmal
nicht so schlimm fühlbar, denn „auf der herreise hatten wir oft dieselbe schreckliche Bewe-
gung, dasselbe Rollen des Schiffes ohne Sturm, und das macht bloß, weil wir damals nur
Mobile Culture Studies
The Journal, Volume 1/2015
- Title
- Mobile Culture Studies
- Subtitle
- The Journal
- Volume
- 1/2015
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German, English
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 216
- Categories
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal