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128 Mobile Culture Studies. The Journal 1 2o15
Anja Fuchs und Robin Klengel | “There are no cats in America”
langsam gewinnt der Protagonist Sicherheit, macht freunde und findet sich in dem neuen
kulturellen Setting zurecht.
„In order to best understand what it is like to travel to a new country, I wanted to create a
fictional place equally unfamiliar to readers of any age or background (including myself).”
(ebd.)
Stilistisch hat sich der Künstler von der Ästhetik von fotoalben inspirieren lassen: die Blei-
stiftzeichnungen sind in Braun- und Sepiatönen gehalten, scheinen oft geknickt oder zerkratzt
worden zu sein, und weisen eine matte, verblichene farbigkeit auf. Die Bilder werden zu etwas
Anekdotenhaftem, zu einer fiktiven Erinnerung, sie ergeben eine visuelle Erzählung. Durch
den Umstand, dass Tan keine Worte verwendet, bleiben viele Symbole bewusst uneindeutig,
selbst wenn klar ist, dass ihnen ein groĂźer semantischer Gehalt innewohnt.
Der Prozess des Zeichnens wird bei Shaun Tan stets begleitet von einer ausfĂĽhrlichen theo-
retischen und ästhetischen Beschäftigung mit dem Thema. Ausgangspunkt war in diesem falle
der persönliche Migrationshintergrund des Künstlers, sowie die Erzählungen seines Vaters, der
als gebĂĽrtiger chinese 1960 nach Australien migrierte. Tan recherchierte auĂźerdem zahlreiche
Migrationsbiographien aus unterschiedlichen Zeiten (besonders intensiv war die Beschäftigung
mit der Vorkriegs-Migration nach Australien sowie der Massenauswanderung in die USA um
1900), verbrachte viel Zeit in fotoarchiven und sprach mit Migrant-innen ĂĽber den Alltag in
einer fremden Gesellschaft. „[I]t was the day to day details that seemed most telling [...]“ (ebd.).
Die ausfĂĽhrliche Recherche und Konzeptualisierung verdichten sich in der Bildsprache der
grafischen Erzählung. Bei jedem einzelnen Panel ist das große Augenmerk spürbar, das Tan
auf die ästhetische und symbolische
Gestaltung legt. So finden sich auch
viele Motive aus Lebenserzählungen
von Migrant-innen in Tans Werk, in
dem sie trotz kĂĽnstlerischer codie-
rung erkennbar bleiben.
Tans Buch verhandelt keine spe-
zifische Migration einer bestimm-
ten Gruppe. Vielmehr geht es dem
Autor „um Migration als universelle
Erfahrung“ (höppner 2013:44).
Durch die weitläufige Recherche,
die sich in einem erzählerischen
Reichtum der Bilder niederschlägt,
sowie durch deren geschickten
sequenziellen Einsatz erzeugt Tan so
etwas wie „a polyphonic understan-
ding of diasporic fiction“, wie chris-
topher Dony (2012:252) schreibt.
Das Buch gebe einen „chorus of
migrants’ memories“ (ebd.) wieder.
Abb. 1: Der namenlose Migrant auf dem Schiff
Mobile Culture Studies
The Journal, Volume 1/2015
- Title
- Mobile Culture Studies
- Subtitle
- The Journal
- Volume
- 1/2015
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German, English
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 216
- Categories
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal