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Mobile Culture Studies The Journal
Mobile Culture Studies - The Journal, Volume 1/2015
Page - 159 -
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Page - 159 - in Mobile Culture Studies - The Journal, Volume 1/2015

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Mobile Culture Studies.The Journal 1 2o15 David Jünger | Die Schiffspassage deutscher Juden nach Palästina 159 Die historische und religiöse Bedeutung des heiligen Landes löste also bei vielen emphatisches Entzücken aus, während andere sich dadurch beinahe erdrückt fühlten. In der figur der helga in Jenny Alonis Roman Zypressen zerbrechen nicht schien bereits jene Problematik auf, die darin bestand, die Geschichte Palästinas mit dessen Gegenwart und der eigenen, individuellen Zukunft zu verbinden. Bei der Ankunft im hafen wurde helgas Gefühl der Dissonanz von abstrakter, allgemeiner Geschichte und konkreter, individueller Gegenwart noch einmal erneu- ert: „Als fremde komme ich in das Land“, heißt es im Buch, „in dem früher einmal meine Vorfahren gelebt haben.“ 43 Ganz ähnliche Überlegungen finden wir auch bei Lene Michael, die sich an Bord der Diana auf dem Weg nach Palästina befindet. Lene Michael ist die Protago- nistin der Erzählung Ein Schiff unterwegs von herbert friedenthal, die noch 1938 in Berlin veröffentlicht wurde. Die Erzählung ist eine glänzende zeitgenössische Auseinandersetzung mit der Schiffspas- sage und ihrer metaphysischen Aufladung. Lenes Überlegungen kreisen immer wieder um die frage, in welchem Verhältnis sie selbst, als deutsche Jüdin, zu dem Land der Juden, seiner Geschichte und Gegenwart steht. An einer Stelle der Erzählung ist von der Verantwortung des Einzelnen die Rede: „Ein Jude kann nach Palästina keine Vergnügungsreise machen. Eine fahrt nach Palästina bedeutete für ihn eine fahrt in die herrlichkeit und Armseligkeit seines Volkes, stellte ihn vor Entscheidungen und Verantwortlichkeiten, immer vor Verantwortlichkeiten. für alles, was dort geschah, war er zu seinem Teil verantwortlich. Es waren die Probleme seines eigenen Lebens, um die dort gekämpft wurde. Er konnte nicht als Tourist mit der Kamera in der hand schwerelos durch die Landschaft gehen – er kam als das besorgte Mitglied der familie, um sich Rechenschaft abzulegen von seinem Tun und dem Tun seiner Brüder.“ 44 Die Metapher des familienbesuchs soll auf die Intimität des Verhältnisses verweisen, eine Inti- mität, die jedoch zunächst nur theoretisch existierte. Niemand wusste das besser als Lene, die in ihr Land fuhr – ihr Land, das ihr jedoch völlig fremd war. Vor der Küste Palästinas versucht sie dieses seltsame Verhältnis noch einmal zu ergründen, das Verhältnis zwischen ihr als Indi- viduum und ihr als Jüdin, zwischen der Geschichte des jüdischen Volkes und ihres eigenen Lebens: „Lene hatte das Land ihrer Geburt, ihrer Sprache und ihrer Eltern hinter sich gelassen. Mit dem Land, das vor ihr lag, verband sie eine zweitausendjährige Geschichte. Sie war erst dreiundzwanzig Jahre alt, ihre Beziehung zu dem Lande somit neunzehnhundertsie- benundsiebzig Jahre älter als sie. Jetzt, da das Meer um sie brüllte und Europa mit jeder Stunde ferner wurde, fühlte sie, daß sie im Innersten nichts wußte von ihrer neuen heimat, daß Geschichte und Landeskunde ihr das Land zwar zu einem vertrauten Begriff gemacht hatten – sie kannte den Begriff, aber nicht seine Sonne, seinen Staub, seine Steine, seine Wirklichkeit. Sie war dreiundzwanzig Jahre, in Europa aufgewachsen, und wenn es keine Gebete gegeben hätte und keine Bücher und keine Politik, hätte sie niemals etwas von 43 Aloni, Zypressen zerbrechen nicht, 30. 44 friedenthal [freeden], herbert. 1938. Ein Schiff unterwegs. Die Geschichte einer Überfahrt. Novelle (Berlin: Goldstein, Jüdischer Buchverlag), 28 f.
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Mobile Culture Studies The Journal, Volume 1/2015
Title
Mobile Culture Studies
Subtitle
The Journal
Volume
1/2015
Editor
Karl Franzens University Graz
Location
Graz
Date
2015
Language
German, English
License
CC BY 4.0
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
216
Categories
Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal
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