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Mobile Culture Studies. The Journal 2 2o16
Arthur Depner, Simon Goebel | Rede Macht Asylpolitik 97
Dieser Ausweitung des Politischen auf den gesamten Bereich der Sprache muss man nicht
folgen, um der eingangs erwÀhnten Feststellung, Rhetorik und Politik seien eng miteinan-
der verknĂŒpft, ein weiteres, wissenschaftlich fundiertes Argument zu liefern, das die BanalitĂ€t
dieser Feststellung durch den damit einhergehenden Verweis auf die KomplexitÀt der Zusam-
menhÀnge und auch auf die entscheidende Wichtigkeit, die der Wahl der Formulierungsweise
zukommt, zu unterstreichen. Wehling zeigt in Ihrem Buch anhand vieler Beispiele aus unter-
schiedlichen Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Diskurses auf, wie bestimmte
Formulierungen eben nicht nur vermeintliche Tatsachen darstellen, sondern und im Besonde-
ren gelernte Deutungsmuster bedienen, verfestigen oder auch auflösen und verÀndern.
WĂ€hrend die soziologische Rahmen-Analyse nach Goffman (1974) vor allem die Sinn stif-
tende Funktion von (Deutungs-)Rahmen in den Fokus rĂŒckt und somit die eher âpassiveâ Seite
der Funktionsweise von Rahmen (Frames) betont (also: welche Perspektive/Rahmung muss
gegeben sein, um eine ansonsten fĂŒr den Rezipienten sinnlose Handlung/Redeweise als sinn-
voll bzw. ĂŒberhaupt zu verstehen?), geht die kognitionswissenschaftliche Framing-Theorie von
Wehling verstÀrkt auf die aktive Erzeugung bzw. Nutzung von Frames ein. Man könnte sagen,
es handelt sich dabei um eine Erweiterung der klassischen Rahmen-Analyse.
FĂŒr die hier vorgelegte Analyse der Nutzung von Metaphern in politischen Reden sind
beide Aspekte (passiv und aktiv) der Rahmen-Analyse gleichermaĂen relevant. Eine ErgĂ€nzung
bzw. Anpassung besonders der kognitionswissenschaftlichen, aktiven Seite, aber auch der sozio-
logischen, passiven Seite der Rahmen-Analyse im Sinne Hetzels, der von einem Rest radikaler
UnbegrĂŒndetheit bzw. Grundlosigkeit in der Wirksamkeit der Rede ausgeht, ist aus unserer
Sicht insbesondere hinsichtlich der oben angedeuteten Verantwortungsproblematik notwendig.
Im Sinne der Rahmenanalyse nach Goffman ergÀnzen wir die Perspektive um das Kon-
zept der Kollektivsymbolik, das JĂŒrgen Link im RĂŒckgriff auf Ernst Cassirers Philosophie der
Symbolischen Formen und auf Michel Foucaults Diskurstheorie entwickelt hat. Nicht nur die
Verwendung des Konzepts der Kollektivsymbolik in empirischen Untersuchungen zum The-
menkomplex Asyl sprechen fĂŒr dessen Einbeziehung (z.B. Gerhard 1992). Durch die Bestim-
mung von Kollektivsymbolen als âdie Gesamtheit der sogenannten âBildlichkeitâ einer Kultur,
die Gesamtheit ihrer am weitesten verbreiteten Allegorien und Embleme, Metaphern, Exem-
pelfĂ€lle, anschaulichen Modelle und orientierenden Topiken, Vergleiche und Analogienâ (Link
1996, 25), kann in Verbindung mit Goffmans Ansatz der hier vorliegenden Analyse auch die
gewĂŒnschte Tiefenstruktur gegeben werden, da sie das (begriffliche) Instrumentarium berei-
chert und dadurch den phÀnomenalen Gesamtkomplex treffender zu beschreiben hilft.
Eine weitere und letzte Erweiterung der Perspektive erfolgt im Anschluss an den meta-
phorologischen Ansatz von Hans Blumenberg â und damit kommt auch der hier behandelte
Bereich der Metaphern ins Spiel. Mit Hans Blumenberg verstehen wir Metaphern nicht nur
als bedeutungstragende Ăquivalenzen sprachlicher Ausdrucksformen, sondern als vor- und
ĂŒberbegriffliche Ausdrucksformen, die auf Erfahrungen und WeltbezĂŒge rekurrieren, die sich
möglicherweise einer sprachlich-begrifflichen Konkretion entziehen: âIhr Gehalt [der Meta-
phern; Anm. d. Autoren] bestimmt als Anhalt [sic!] von Orientierung ein Verhalten, sie geben
einer Welt Struktur, reprĂ€sentieren das nie erfahrbare, nicht ĂŒbersehbare Ganze der RealitĂ€t.â
(Blumenberg 1999, 25) Demnach verweisen Metaphern auf komplexe emotionale oder kognitive
ZusammenhÀnge, deren Artikulation nur schwer möglich ist. Gleichsam sind sie aber auch
Mobile Culture Studies
The Journal, Volume 2/2016
- Title
- Mobile Culture Studies
- Subtitle
- The Journal
- Volume
- 2/2016
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2016
- Language
- German, English
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 168
- Categories
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal