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Mobile Culture Studies. The Journal 2 2o16
Arthur Depner, Simon Goebel | Rede Macht Asylpolitik 99
Demnach müssen Metaphern immer auch im Kontext ihres Machtbezugs begriffen werden.
Die Wirksamkeit diskursiv ausgestalteter Machtverhältnisse bzw. die Wirksamkeit der Rede,
wie sie auch Hetzel beschreibt, lässt sich im Sinne der Cultural Studies nicht als kausales
Aktion-Reaktions-Prinzip beschreiben. Im Gegenteil – die Codierung und Decodierung eines
Kommunikationsprozesses lassen Raum für Fehlinterpretation, Missverständnisse, vor allem
aber auch Widerständigkeit. Die intendierte Aussage mitsamt ihren unausgesprochenen Kon-
texten weicht dann von der rezipierten Botschaft ab (vgl. Hall 1999). Metaphern sind aufgrund
ihrer dezidierten interpretativen Offenheit ein prädestiniertes Beispiel für diesen Prozess der
kommunikativen Irritation oder Subversion.
Insofern sehen wir gewinnbringende Anknüpfungspunkte zwischen unseren philosophisch-
sozialwissenschaftlichen Überlegungen und einem Cultural-Studies-Ansatz. Dies möchten wir
in der folgenden Analyse nutzbar machen. Im Jahr 2015 berührten 35 Bundestagsreden der
Partei- und Fraktionsvorsitzenden der im deutschen Bundestag vertretenen Parteien das Thema
Flucht. Die Reden sind über die Websites der Abgeordneten sowie über das Online-Archiv
des Deutschen Bundestages abrufbar. Eine Rede wurde in das empirische Material einbezo-
gen, wenn mindestens einer der Suchbegriffe „Flucht“, „Flüchtlinge“ und „Asyl“ enthalten war.
Nach Sichtung sämtlicher in den Reden enthaltenen Metaphern erfolgte die Auswahl der hier
exemplarisch fokussierten Metaphern einerseits auf der Grundlage quantitativer Erwägungen
sowie andererseits aufgrund ihrer medialen Relevanz. Letzteres ist zwar eine vage Kategorie, die
auf den Erfahrungswerten der Autoren beruht, was für die Analyse aber letztlich unbedeutend
ist, da die Metaphern – wie erwähnt – exemplarischen Charakter haben. Schließlich bleiben 26
Reden als empirischer Korpus für die vorliegende Untersuchung, da sie eine oder mehrere der
ausgewählten Metaphern enthalten.
Bekämpfung der Fluchtursachen
Die Forderung, Fluchtursachen zu bekämpfen, ist weithin bekannt, da sie in medial geradezu
inflationärer Weise artikuliert wird. So verwundert es nicht, dass auch in den meisten der
analysierten Bundestagsreden zum Thema Flucht diese Forderung gestellt wird. Volker Kauder
(CDU) sagt beispielsweise:
„[N]atürlich [ist] die Bekämpfung von Fluchtursachen eine wichtige Aufgabe. Es wird aber
nicht möglich sein, in kurzer Zeit alle Fluchtursachen zu beseitigen. Aber eine Fluchtur-
sache für die Menschen in den Flüchtlingslagern ist auf jeden Fall dann gegeben, wenn
sie den Eindruck haben, mit ihnen werde nicht anständig umgegangen. Hier kann man
schnell Abhilfe schaffen […].“ (Kauder, Bundestagsrede am 15.10.2015)
Formal zeigen sich hier zunächst die zwei zentralen (häufig auch substantivierten) Verben, mit
denen der Umgang mit Fluchtursachen konkretisiert wird: „bekämpfen“ und „beseitigen“. Dem
Wort „bekämpfen“ ist eine violente Konnotation inhärent; es deutet auf eine enorme Anstren-
gung hin. Gleichzeitig ist das Wort vollkommen offen, es sagt nichts über die Art und Weise
des Kampfes gegen etwas. Letzteres gilt auch für eine „Beseitigung“, wobei diese nicht zwangs-
läufig violent oder anstrengend sein muss. Etwas zu beseitigen, verweist im Gegensatz zu einer
Bekämpfung auf eine Endgültigkeit, die vollkommene Aufhebung des zu Beseitigenden.
Mobile Culture Studies
The Journal, Volume 2/2016
- Title
- Mobile Culture Studies
- Subtitle
- The Journal
- Volume
- 2/2016
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2016
- Language
- German, English
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 168
- Categories
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal