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Mobile Culture Studies The Journal
Mobile Culture Studies - The Journal, Volume 2/2016
Page - 103 -
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Mobile Culture Studies. The Journal 2 2o16 Arthur Depner, Simon Goebel | Rede Macht Asylpolitik 103 „Seit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam und spĂ€ter des Vertrags von Lissabon sieht das primĂ€re Unionsrecht in Artikel 2 EUV ausdrĂŒcklich vor: ‚Die Werte, auf die sich die Union grĂŒndet, sind die Achtung der MenschenwĂŒrde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören‘. Diese Grundwerte erfĂŒllen sowohl fĂŒr die Kandi- datenlĂ€nder als auch fĂŒr die EU-Mitgliedstaaten eine normative Funktion.“ (Agentur der EuropĂ€ischen Union fĂŒr Grundrechte 2013, 7) Dennoch stellt beispielsweise Sahra Wagenknecht die „Wertegemeinschaft“ in ein schlechtes Licht. Sie kritisiert die geringen finanziellen Mittel, die die EU fĂŒr die BewĂ€ltigung ihrer Krise im Kontext von Fluchtmigration am 23.09.2015 beschlossen hatte: „Es zeigt auch sehr deutlich die wirklichen Werte der gelobten westlichen Wertegemeinschaft.“ (Sahra Wagenknecht, Bun- destagsrede, 24.09.2015) Offensichtlich subsumiert Wagenknecht – anders als Merkel, Göring- Eckardt und andere Redner_innen aus CDU, SPD und GrĂŒnen – andere Werte unter dem Begriff „westliche bzw. europĂ€ische Wertegemeinschaft“, wobei Wagenknecht die grundsĂ€tz- liche Existenz einer wie auch immer ausgestalteten „westlichen bzw. europĂ€ischen Wertege- meinschaft“ hier nicht in Frage stellt. Somit wird in allen analysierten Bundestagsreden Europa bzw. der Westen als auf spezifischen Werten basierende Einheit konstruiert, womit eine mora- lische Andersartigkeit gegenĂŒber einem Außerhalb Europas/des Westens suggeriert wird. Mit Ausnahme der Linken-Politiker_innen sind die Europa/dem Westen zugeschriebenen Werte positiv attribuiert und werden einmal als Errungenschaft begrĂŒĂŸt, ein andermal im Kontext der FlĂŒchtlingssituation jedoch vor allem als bedroht wahrgenommen, weshalb es einer konse- quenten oder erneuten Besinnung auf diese Werte bedĂŒrfe. Die gĂ€ngige Ausrufung europĂ€ischer Werte beschreibt der Philosoph Markus Wirtz als eine „europĂ€ische Utopie“ (Wirtz 2005, 232), die an einer wertespezifischen Aporie scheitert. Die Aporie besteht laut Wirtz in der Ausrufung einer spezifischen europĂ€ischen IdentitĂ€t, die sich jedoch auf universale, also nicht spezifisch europĂ€ische Werte beruft. Dazu gehörten wis- senschaftliche RationalitĂ€t sowie eine demokratische und rechtsstaatliche Politik, die jĂŒdisch- christliche Tradition und schließlich die aus der AufklĂ€rung hervorgegangenen bĂŒrgerlichen Werte (vgl. Wirtz 2005, 232). Wirtz verweist hierbei auf zwei WidersprĂŒche im Kontext der Einforderung dieser historischen Wertkonstruktionen als „europĂ€isch“. Im Sinne einer huma- nistischen Denkrichtung sei es geradezu paradox, diese Werte als „europĂ€isch“ zu definieren, da sie den Menschen an sich adressieren und nicht bloß „die EuropĂ€er_innen“. Außerdem gibt Wirtz zu bedenken, dass die Geschichte Europas vielmehr von der Pervertierung dieser Werte gekennzeichnet ist als von ihrer Realisierung – wie die Geschichten von Kolonialismus, Impe- rialismus, Nationalsozialismus und Totalitarismus zeigen (vgl. Wirtz 2005, 233). So kommt Wirtz zu dem Schluss: „Entweder sind also die genannten Werte in ihrer Geltung universell, dann taugen sie nicht zur IdentitĂ€tsbestimmung eines einzelnen Kontinents [
]; oder die genannten Werte werden ausschließlich in ihrer kontingenten historischen Genesis betrachtet und als kul- turelle Errungenschaften in den Horizont des kollektiven europĂ€ischen GedĂ€chtnisses eingeschrieben.“ (Wirtz 2005, 233)
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Mobile Culture Studies The Journal, Volume 2/2016
Title
Mobile Culture Studies
Subtitle
The Journal
Volume
2/2016
Editor
Karl Franzens University Graz
Location
Graz
Date
2016
Language
German, English
License
CC BY 4.0
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
168
Categories
Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal
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