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108 Mobile Culture Studies. The Journal 2 2o16
Arthur Depner, Simon Goebel | Rede Macht Asylpolitik
Wir können festhalten, dass sich die hier verhandelten Begrifflichkeiten in einem Aushand-
lungsprozess befinden, in dem Akteure wie Politiker_innen oder Journalist_innen, aber auch
die Leute im Alltag mehr oder weniger bewusst um die metaphorologische Essenz ringen. Inso-
fern betrachten wir die analysierten Begriffe als „Metaphern im Prozess“, ohne absehen zu
können, ob diese künftig auf eine allgemein geteilte Bedeutung verengt werden bzw. – um mit
Cornelia Bruell zu sprechen – ob sie zu „toten Metaphern“ werden:
„Metaphern an sich haben keine Bedeutung – sie haben keinen fixen Platz im Sprachspiel.
Es sind Worte, die in einem unvertrauten Sinn verwendet werden und erst durch die
Interpretation der SprecherInnen, Bedeutung erlangen. Ist dies der Fall und die Metapher
erscheint als sinnvoll/zweckmäßig, wird sie im Sprachspiel integriert. Sie gewinnt darin
einen Platz und verliert damit ihren metaphorischen Charakter. Man kann dann von einer
toten Metapher sprechen, über die ein neues Vokabular geschaffen wurde, das zur Buchstä-
blichkeit abgestorben ist.“ (Bruell 2005, 265, H. i. O.)
Was Bruell hier „tote Metapher“ nennt, weist in einem für uns entscheidenden Punkt eine
große Nähe zu Hans Blumenbergs Konzept einer „absoluten Metapher“ auf: Wenn der Bedeu-
tungsüberschuss einer Metapher auf eine Selbstverständlichkeit bzw. „Buchstäblichkeit“, wie
Bruell es nennt, reduziert wird, hat das große Auswirkungen auf den daran anschließenden
Diskurs bzw. auf jene Diskurse, die mit dieser Metapher als zentralem Element operieren. Blu-
menberg zeichnet sehr gut nach, wie beispielsweise die Licht-Metapher einen prägenden, ja
paradigmatischen Einfluss auf die Entwicklung der Erkenntnistheorie und die philosophische
Begriffsbildung hatte (vgl. Blumenberg 1957). Und gerade dieser Aspekt, dass die Wiederho-
lung und Einübung bestimmter Metaphern letztlich auch die Entwicklung von Diskursen und
darüber auch die Möglichkeitsbedingungen für Handlungen beeinflusst, lässt sich auch in der
aktuellen politischen Debatte um den Umgang mit Menschen mit Fluchthintergrund zeigen.
Wir befinden uns in einer vielleicht wegweisenden Phase der (Um-)Gestaltung unserer Gesell-
schaft. Von zentraler Bedeutung für die Richtung, die diese Entwicklung nehmen wird, wird
auch die rhetorische Gestaltung des damit einhergehenden politischen Diskurses sein, und wie
in diesem mit metaphorischen Figuren umgegangen wird.
Wie eingangs erwähnt, wäre es aus unserer Sicht wünschenswert, wenn dieser Diskurs von
kulturwissenschaftlicher Seite verstärkt analytisch-kritisch begleitet würde und insbesondere
die Arbeit an einem Instrumentarium zur Analyse metaphorischer bzw. allgemein rhetorischer
Strukturen voran getrieben würde.
Literatur
Agentur der Europäischen Union für Grundrechte. 2013. Die Europäische Wertegemeinschaft:
Der Schutz der Grundrechte in Krisenzeiten (Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der
Europäischen Union).
Blumenberg, Hans. 1957. ‘Licht als Metapher der Wahrheit. Im Vorfeld der philosophischen
Begriffsbildung’, Studium Generale, 10, H. 10 (1957), pp. 432-447.
Blumenberg, Hans. 1999. Paradigmen zu einer Metaphorologie (Frankfurt a. M.: Suhrkamp).
Mobile Culture Studies
The Journal, Volume 2/2016
- Title
- Mobile Culture Studies
- Subtitle
- The Journal
- Volume
- 2/2016
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2016
- Language
- German, English
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 168
- Categories
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal