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Mobile Culture Studies. The Journal 6 2o20 (Travel)
Mirja Riggert | Selbstporträt mit Spiegelreflex 119
Sicht auf Lassner als leicht erhöhtes Vorbild wird damit verbalisiert. Dennoch adressiert sie hier
erstmalig explizit die Leser/innen. Der Text der About Page endet mit der Aussage „Schön,
dich hier zu haben! Julia“ (Lassner, seit 2014) und zeigt damit eine Geste der Wertschätzung
und Unmittelbarkeit wie in einer persönlich verfassten Nachricht, was durch ihre Unterschrift
verstärkt wird. Dies tritt durch die konstante Du-Ausblendung im visuellen Narrativ an dieser
Stelle hervor. Viele Nutzer/innen reagieren auf die Seite und bekunden in Postings ihr Interesse
und ihre FĂĽrsprache zum Blog.
Zeigen sich solche Unterschiede zwischen Ich-Darstellung und Du-Anrufung im Inner-
textlichen auf Globusliebe, so finden sich diese Adressierungswechsel im Innerbildlichen nicht.
Während auf Globusliebe der Adressat/innen-Einbezug in den Fotos also konstant vermieden
wird, zeigt sich zumindest tendenziös eine visuelle Du-Betrachtung auf Bravebird, bei der die
Betrachtenden in die bildliche Fiktion einbezogen werden. Der Blick in der Porträt-Serie dreier
kreisförmiger Bilder zur Mitte der Seite gilt eindeutig den Betrachter/innen, die hier offen ange-
lacht werden. Die bildliche Ästhetik ist hier dennoch prinzipiell eher von Aufnahmen selbst-
versunkener Kontemplation gezeichnet — so wirkt zum Beispiel auch das Porträt mit Kamera
in der rechten Spalte so, als wĂĽrde man die Bloggerin gerade beim Durchsehen ihrer Fotos
überraschen und nur zufällig ihre Aufmerksamkeit erlangen [Abb. 3]. Gerade in der Dokumen-
tation der eigenen Biografie, wie in diesen Beispielen, spielt die „Okkasionalität“ des Porträts
laut Hans-Georg Gadamer (1990: 149) eine bedeutsame Rolle. Die Semantik eines Porträts
bestimme sich demnach aus der Gelegenheit, in der sie gemeint sei. Diese Gelegenheit, in der das
Bild hergestellt wird, bringe die Beziehung des Porträts zur dargestellten Person zum Ausdruck
und trage den Inhalt der Beziehung auch ohne ein Fortwähren dieser Gelegenheit weiter. Die
Okkasionalität ist für Gadamer wesentlicher Bedeutungsträger des Porträts und erfüllt die sozi-
ale Funktion, die Individualität der porträtierten Person zu bezeugen, und nicht eine Personen-
typik oder ein Sujet abzubilden. Bloggerin Kranz inszeniert hier also eine okkasionelle Position,
mit der sie ästhetische Kodizes der Selbstporträtierung individualisiert. Ihre Form der Darstel-
lung legt den Fokus auf sich selbst und versucht weniger, die Rezipierenden in die Bildfiktion
einzubeziehen. Vielmehr wird hier offenkundig ein Selbst inszeniert — und dabei die Rezep-
tion der Bilder doch implizit mitgedacht, wie sich in der Inszenierung von Okkasionalität zeigt.
>mcs_lab>
Mobile Culture Studies, Volume 2/2020
The Journal
- Title
- >mcs_lab>
- Subtitle
- Mobile Culture Studies
- Volume
- 2/2020
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2020
- Language
- German, English
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 270
- Categories
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal