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Mobile Culture Studies. The Journal 4 2o18
Joachim Schlör, Johanna Rolshoven | KĂŒnstlerische Positionen und Ausdrucksformen 9
Wanderung und Displacementâ sich ausdrĂŒckt.4 Marie-HĂ©lĂšne Gutberlet hat das Thema ĂŒber
Europa hinausgefĂŒhrt und mit ihrer Plattform âMigration & Mediaâ einen translokalen Raum
geschaffen, âin dem VerĂ€nderungen, Innovationen, neue Perspektiven und Haltungen aus der
Migrationserfahrung in Form von Filmen, Texten und Bildern und anderen Denk- und Gestal-
tungsformen wahrnehmbar werdenâ.5
In unserem Call for Papers wurden â als Anregung, nicht als Vorgabe â einige histori-
sche Beispiele genannt: Gustave DorĂ©s âLe juif eternelâ, das die Legende vom ewig wandern-
den Juden aufgreift (1856) oder Felix Nussbaums âSelbstportrĂ€t im Versteckâ (1944), das eine
Familie beim Betrachten der Weltkarte zeigt; italienische und spanische Auswandererlieder wie
âMamma mia, da mi cento lireâ oder âLâEmigrantâ, die bis heute eine kulturelle BrĂŒcke zwi-
schen den Orten der Herkunft und den Orten der Zuflucht in den Amerikas darstellen; Thea-
terauffĂŒhrungen wie Cataldo Perris âBastimenti. TrĂ€ume und SchimĂ€ren zwischen Tarantella
und Tangoâ oder Ariane Mnouchkines âLe Dernier CaravansĂ©railâ (2003), oder zuletzt Stefan
Puchers Adaption eines Romanstoffs von Lion Feuchtwanger aus den 1930er Jahren, âExilâ, die
unter dem Titel âWartesaalâ im November 2017 in den MĂŒnchner Kammerspielen aufgefĂŒhrt
wurde. In einer Besprechung der AuffĂŒhrung hieĂ es:
âDer ehemalige Musikprofessor âSeppâ Trautwein schreibt bei der Exil-Zeitung glĂŒhende
Zeilen gegen die Nazis. Doch die Zweifel, ob das ĂŒberhaupt etwas bringt, dieses Reden
gegen die Rechten, die ja doch machen, was sie wollen, sind berechtigt. Ein junger Literat
erzĂ€hlt hier spöttisch von einem Kinderspiel: âWir setzten uns an einen groĂen Tisch und
ĂŒberdeckten ihn mit vielerlei Papieren, Bleistiften, TintenfĂ€ssern. Wir schrieben, telefo-
nierten, liefen als Boten herein und hinaus und hatten es schrecklich wichtig.ââ6
Das kommt einem beim Lesen der Nachrichten ĂŒber einen Chemnitzer âTrauermarschâ, der zur
Hetzjagd gegen AuslÀnder wurde, doch sehr vertraut vor. Wir sitzen alle an unseren Schreibti-
schen, telefonieren und mailen, und haben es vielleicht auch wichtig. Tun wir auch, was richtig
ist? Und was ist richtig? Die BeitrÀge dieser Ausgabe handeln nahezu alle vom öffentlichen Raum
â von stĂ€dtischen StraĂen, von HĂ€usern der Begegnung, von Grenzregionen, von Reisen auf den
Spuren einer Familiengeschichte. Wie haben historische Migrationsformen unsere öffentlichen
RĂ€ume beeinflusst, und wie steht es heute damit? Wie bewegen wir uns auf den StraĂen unserer
StÀdte und in der Landschaft? Nehmen wir VerÀnderungen wahr, die durch neue Formen von
MobilitÀt und Migration ausgelöst wurden? Erfahren wir diese VerÀnderungen als spannend und
bereichernd, oder als angsteinflöĂend und einschĂŒchternd? Wie verarbeiten wir solche GefĂŒhle?
Utz Jeggle, wer sonst, hat anlĂ€sslich der Eröffnung einer Ausstellung in Rottenburg Ăberlegungen
zum Thema âHeimat Kunstâ angestellt, die uns vielleicht weiterhelfen:
âDie Moderne hat viel mit Bewegung zu tun, mit Beschleunigung, Tempo, UngemĂŒtlichkeit,
Reichweite, Entfernung. Legte zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Durchschnittsmensch tÀglich
4 Burcu Dogramaci (Hg.), Migration und kĂŒnstlerische Produktion. Aktuelle Perspektiven (Bielefeld: tran-
script,2013).
5 Migration & Media, http://www.migrationandmedia.com/d-index.htm [29.08.2018].
6 Philipp Bovermann, âWarten ist der Todâ, nachtkritik.de 25. November 2017, https://nachtkritik.de/index.
php?option=com_content&view=article&id=14690:wartesaal-an-den-muenchner-kammerspielen-stefan-puch-
er-einen-romanstoff-von-lion-feuchtwanger&catid=38&Itemid=40.
Mobile Culture Studies
The Journal, Volume 4/2018
- Title
- Mobile Culture Studies
- Subtitle
- The Journal
- Volume
- 4/2018
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2018
- Language
- German, English
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 182
- Categories
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal