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4yg Voltskultur.
b. Gimnastik.
Außer der Turnanstalt und der Schwimmschule in Graz, dann
den Schwimmschulen in Tobelbad und Marburg, ist der Jugend im ganzen
Lande keine Gelegenheit geboten, durch regelmäßigen Unterricht jene gimnastischen
Fertigkeiten sich anzueignen, deren fleißige Nebung den Körper kräftig, agil, zu allen
Verrichtungen geschikt macht, und gesund erhält.
Die Folgen dieses Mangels find allenthalben bemerkbar. Neberall be-
gegnen uns Leute mit gebükter, schwerfälliger Haltung, vorgeschobenen Areln und nach
einwärts gehaltener Brust, so daß selbst ein schön gebauter Körper plump und un-
proporzionirt erscheint. Die gebükte Haltung verengt den Brustkorb nach
vorne zu, und behindert die freie ßntwiklung der Lungm so wie das Atemholen.
Bei dm beschwerlichen Arbeitm der Gebirgbewohner scheinen die derartigen Hem-
mungen der freien Respirazion auch ihren Teil zu haben an dm vielen Asthmen
und Herzfehlern. Den Armen und Schenkeln fehlt die Agi l i tät . Die wenig«
sten Landleute können etwas gefchikt und vorteilhaft angreifen, vergeuden oft an
leichten Dingen ein Uebermaß von Kräften, und wissen sich in schwierigen Fällen,
wo ihre Körperstärke leicht ausreichen würde, gar nicht zu helfen. Diese unge«
schifte Haltung ist aber nur dem männlichen Geschlechte auf dem Lande eigen;
das weibliche hat eine schöne gerade Haltung, Arme und Schenkel bewegen sich
freier und gelenkiger. Mit Hökern oder anderen Rükgradverkrümnmngen behaftete
Landmädchen oder Weiber findet man äußerst selten, und fast nur unter den Nähte«
rinen; selbst uralte Mütterchen pflegen gerade einherzuschreiten. Woher kommt
dies? Offenbar von einer Gimnastik. welche die Mädchen von Jugend auf
üben, nämlich vom Tragen und Balanziren von Lasten auf dem Kopfe. Die
Landdirne geht mit ihrem Schaff Waffer auf dem Kopfe schnellen Schrittes vor«
wärts, ohne auch nur einen Tropfm auszuschwappen, oder trägt einen Korb Obst
auf dem Kopfe balanzirend in die Stadt, und verwendet dabei ihre Hände zum
Etriken oder zur Verfertigung von Strohgestechten.
Da dem weiblichen Geschlechte ohnedies die Gimnastik nicht fehlt, so wäre
blos für die männliche Jugend zu sorgen, und dies könnte ohne Schwierig»
keit geschehen, wenn die Landschullehrer Turnunterricht erhalten, und die Schultna
bm einige Stunden wöchentlich in Turnübungen unterweism würdm.
Der geringe ßntgang, welchen dadurch der eigentliche Schulunterricht erlitte, wäre
hundertfach durch die Vorteile der Turnübungen aufgewogm. Von einem Schwimm«
unterricht, diesem wesentlichen, für die Gesundheit fo vorteilhaften Teile des Turnun«
terrichtes, kann wol nur in Städten und größeren Märkten die Rede sein. Manche
Baumlburschen lernen übrigens auch in Flüßm und Teichen notdürftig schwimmen.
o. Reinl ichkeit.
Im Punkte der Reinlichkeit steht das Landvolk im Allgemeinen noch sehr
schwach, am schwächsten aber in Bezug auf die Reinigung des Körpers. Das
Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Title
- Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Author
- Mathias Macher
- Publisher
- Ferstl'sche Buchhandlung
- Location
- Graz
- Date
- 1860
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.91 x 20.62 cm
- Pages
- 632
- Keywords
- Topographie, Kartografie, Statistik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen