Page - 133 - in Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
Image of the Page - 133 -
Text of the Page - 133 -
Kretinismus. 133
regenden Geselligkeit zur wuchernden Wanze. Schon die sonst gesunden armen
Mütter scheinen durch schwere Arbeiten, ärmliche Nahrung, durch Wohnen in
dunkeln, schmuzigm Stuben und Mangel an Wege, sogar während ihrer Schwanger-
schaft zur Schwächung der Leibesfrucht beizutragen. Nach der Geburt wird das
Kind mehrmal täglich mit dikem Mehlbrei überfüttert, zum Schlafe eingewiegt,
in eine dunNe Kammer eingeschlossen, und höchstens wieder durch ein Kind oder
gar durch eine kretinartige Person überwacht, während die Mutter ihrer Arbeit
nachgeht. Erwachend findet es sich allein, durchnäßt und voll Unrat, und schreit
vergebens bis zur Ermattung, oder wird, wenn Jemand zugegen ist, bis zur Be-
täubung eingewiegt, aber seltm troken gelegt und gereiniget; oft schiebt man ihm
noch einen Sauglappen, in Branntwein getaucht, in den Mund. Niemand hat Zeit
durch freundliche Spiele den Geist des Kindes anzuregen, so daß nicht nur der
Körper, sondern auch der Geist in torpidem Zustande bleibt. Später werden die
heranwachsenden Kinder gewöhnlich auf einsamen Weiden zum Viehhüten ver-
wendet und allen Zufällen einer rauhen und veränderlichen Witterung ausgesezt;
nur Diejenigen, welche in der Nähe von Schulen wohnen, genießen die Woltat
des Schulunterrichtes. Kein Wunder also, daß die kretinische Anlage in mancher
Gebirgsgegend so üppig sich entwikelt.
2) In unserem Lande hat diese kretinische Anlage ihren Hauptsiz am
großen Alpenstok, welcher von Salzburg mit dem Kalchspiz und der Hoch-
golling zwischen der Mur und Enns unser Land betritt, nnd seine riefigen Arme
südlich und nördlich in die beiden Flüsse taucht (S. 14). Minder auffallend ist
dieselbe am zweiten Alpenstok, welcher südlich von der Mur mit dem Königftul
an den Gränzen von Salzburg und Kärnten beginnt, fortan bis zum Bachergebirg
die Wasserscheide zwischen der Mur und der Dräu bildet, und vom Hirschegger-
Speikkogel einen großen Zweig bis Vruk hin entsendet (S. 8, 15). Dann ist
diese Anlage auch bemerkbar in der langen Gebirgskette, welche sich vom Semme-
ring an die Gränze Nnteröftreichs, die Flußgebiete der Mür; und Raab schei-
dend, gegen Südwest hinzieht, mit dem Schekel den lezten Knotenpunkt bildet,
und endlich in Südost nach Ungarn sich verliert (S. 10). Auch am Vacherge-
birge des Marburger-Kreises, zumal an den nördlichen Abhängen desselben, kommt
die kretinische Anlage nicht selten vor.
Alle diese Gebirge gehören hauptsächlich der quarzig-kristallinischen
Nrformazion (mit Gneis, Glimmerschiefer. Granit :c.) an. Zunächst er-
scheint an denselben Grauwakenschiefer und Grauwake, besonders im
oberen Ennstale bei Schladming, Irdning. Admont und Rottenmann, im Palten-und Lie-
singtal vorherrschend, bildet teilweise das Königstul- und Eisenhutgebirge im Vez.Murau,
und das Grebenzengebirge im Bez. Neumarkt. Nei Bruk, Mürzzuschlag, Peggau,
in den Vezirken Weiz und Virkfeld, am Schekel, an den nördlichen Abhängen des
Nachergebirges und bei Windisckgra; ist diese Formazion in das quarzige Nrgebirge
und stellenweise auch in Ur- und Nebergangskalk «„geschoben. Diese derben
und seften Gebirgsarten sind nicht geeignet, die Feuchtigkeit in sich
Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Title
- Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Author
- Mathias Macher
- Publisher
- Ferstl'sche Buchhandlung
- Location
- Graz
- Date
- 1860
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.91 x 20.62 cm
- Pages
- 632
- Keywords
- Topographie, Kartografie, Statistik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen