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d . D e r H a l b k r e t i n i s m u s .
Die sogenannten Halbkretinen, welche man gewöhnlich Tappel. Trottel ,
Galen u. s. w. zu nennen pfiegt, sind mit kretinischer Anlage und einem oder meh-
ren anderen endemischen Gebrechen, besonders mit Kröpf, Schwachsinn, Schwerhö-
rigkeit oder Taubheit behaftet.
Manche dieser Trottel, obwol einigermassen schwachfinnig und nicht welt«
läufig, sind oft mit einem gewissen Kunstinftinkte begabt und haben nicht seltm
ein einseitig mathematisches Talent. Sie verfertigen mancherlei Kunstgegen-
stände, wie der Maler „Kazen-Vreughel" ausgezeichnete Kazen-Gemälde; manche
haben sinnreiche Maschinen erdacht und modellirt, andere durch ein auffallen-
des Zalen- oder Ortsgedächtniß sich ausgezeichnet (Zalentrottel, Kalender-
trottel). Diese Menschen, obwol in der Regel aus kretinischen Gegenden stammend,
find eben so wenig zu den eigentlichen Kretinen zu rechnen, wie die mit kretini-
scher Anlage behafteten Taubstummen oder Blödsinnigen.
o . B i l d des K r e t i n i s m u s .
Als Kretinen sind nur jene unglüklichen Bewohner kretinischer Gegenden
zu bezeichnen, welche mit einem ausgebildeten kretinischen Habitus, und
zugleich mit Abnormität des Gehirnes behaftetsind. Der Hauptcharakter
des kretinischen Habitus besteht darin, daß der Körper, statt schlank in die Höhe
zu ragen, sich plump in die Breite ausdehnt. Der große, unregelmäßig gebaute
Kopf, die unebenen, oft sogar knotigen Schädelknochen und die niedere, flache
Stirne weisen auf eine Abnormität des Gehirnes hin; ein Neiner, flacher, in die
Breite oder nach rükwärts gezogener Schädel läßt eine Verkümmerung des G e-
hirnes vermuten. Das spärliche, steife, struppige Haar begränzt die niedere
Stirn und das breite, häßliche, fahle, runzliche Antl iz; der Blik ist starr,
matt, ausdruklos, nicht felten fchielend; die Nase erscheint breit und gequetscht, an
der Oberlippe nicht selten mit ekelhaftem Schleim verunreiniget; die Lippen sind
dik, die Mundwinkel oder die vorhängende Unterlippe triefen gewöhnlich von
Speichel; die dike Zunge steht meistenteils aus dem breiten Munde etwas vor;
manchmal hängt der ganze Unterkiefer ekelerregend herab; die Zähne sind meist
unregelmäßig und unrein. Häufig zieht sich das Gesicht, gräßlich lachend, noch
mehr in die Breite; der Zorn gibt denselben einen besonders abstoßenden Aus-
druk. Die Stimme ist lallend, und bei vorhandenem Kröpf auch unangenem
kreischend, das Atemholen keuchend. Vom Sprechen kann bei der Verkümmerung
aller geistigen Kräfte wol nicht die Rede sein; nur wenige Kretinen minderen
Grades find der Sprache in sofem mächtig, daß sie ihre sehr beschränkten Gedan-
ken und Wünsche durch einzelne Worte lallend ausdrükm können. Der Hals ist
kurz, meistens tropfig, die Brust mißgestaltig, der Bauch aufgetrieben; die Ge-
nital ien sind auffallend groß. die Extremitäten mißgestaltet und ohne Eben-
Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Title
- Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Author
- Mathias Macher
- Publisher
- Ferstl'sche Buchhandlung
- Location
- Graz
- Date
- 1860
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.91 x 20.62 cm
- Pages
- 632
- Keywords
- Topographie, Kartografie, Statistik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen