Page - 139 - in Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
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Keuchhusten befallen, in der Höhe dieser Krankheit in einen lethargischen Zustand
verfiel, der alle Intelligenz auslöschte. In diesem Zustande ging der früher schön
geformte Körper in die Breite, der kretinische Habitus entwikelte sich, und das ani-
malische Leben sank ganz zum vegetabilischen herab, so daß die Unglükliche (welche
42 Jahre alt wurde) gefüttert werden mußte, da sie sogar die Fähigkeit verloren
hatte, ihre Speisen mit den Händen zum Munde zu führen. So viel hat die Er>
fahrung übrigens festgestellt, daß die meisten Kinder, welche dem Kretinismus
verfallen, in Folge eines G eh i r n l e i d ens in diesen traurigen Zustand ver-
sezt werden.
o. Zal der Kretinen in Steiermart.
In dem sonst ausgezeichneten Werke des Herrn Dr. Köstl über den en-
demischen Kretinismus kommen in Bezug auf die Zal der kretinisch entarteten Mmschen
in unserem Lande großartige I r r tümer vor. ohne daß die Zal der wirklichen
Kretinen auch nur annäherungweise bezeichnet ist. Diese Irrtümer beruhen vor-
züglich in den vom Herrn Verfasser selbst anerkannten oberflächlichen, unrichtigen
und mangelhaften bezirksamtlichen Erhebungen und in dem Umstände, daß in der
Regel alle trottelhaften Kropfigen, Tauben und Taubstummen, alle Schwachsinnigen
und Blöden :c. als Kretinen angegeben und gezält wurden. Nach solcher Auf«
fassung dürfte allerdings die Zal 5992 für das ganze Land zu gering sein, aber die
Anname der doppelten Zal ist jedenfalls übertrieben; von wirklichen Kretinen jedoch,
selbst die hochgradigen Halbkretinen mitgerechnet, sind in Steiermark sicher nicht
so viele Hunderte vorhanden, als hier Tausende angeführt sind. Dr. Pi«
ring er. Ordinarius des Grazer«Siechenhauses, weiset nach, daß unter den 39
im I. 4843 in dieser Anstalt als Kretinen gezälten Pfleglingen 2 Sprachlose.
2 Wahnfinnige. 7 Blöde. 3 Schwerhörige. 15 Taubstumme und 2 Verwahrloste
sich befanden — aber kein kretinisches Individuum. In meiner nahezu
40jährigen Praris. als Arzt und Eanitätbeamter in allen drei Kreisen des
Landes, bin ich solchen Gebrechlichen sehr oft begegnet, und zwar vorzüglich in
Gebirgsgegenden; allein kretinische Menschen fand ich weder in den Eanitätdistrikten
Rann, Marburg und Zilli, noch in dem von Maria-Zell, mit Ausname kleiner
Partien in den Regionen der quarzigen Urgebirg- und der Grauwaken»For-
mazionen. Im Marburger-Kreise kamen solche nur am Bacher-Gebirge und an
den lezten Niederungen der Schwanberger-Alpen gegen die Dräu hin — und zwar
sehr sparsam vor; im Brüter- und im Grazer-Kreise entdekte ich solche ebenfalls
nur an Gebirgen, in welchen die quarzigen Ur- und die Grauwalen-Formazionen
vorherrschten. Dr. Köstl's Behauptung, der Kretinismus beschränke sich nicht
nur auf Gebirge von Glimmer-, Cblorit- und Grauwakenschiefer, von Gneis und
Granit, sondern es gäbe keine Felsart, auf welcher dieses Nebel nicht vorkäme. —
bat nur in den- obenerwähnten ««verläßlichen Berichten, und in Behauptungen
anderer Schriftsteller ihren Gwnd; sie würde gewiß ganz anders lauten, hätte der
Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Title
- Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Author
- Mathias Macher
- Publisher
- Ferstl'sche Buchhandlung
- Location
- Graz
- Date
- 1860
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.91 x 20.62 cm
- Pages
- 632
- Keywords
- Topographie, Kartografie, Statistik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen