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429 Amtsbezirk Voitsberg.
hingegen erscheint er mehr gedrungen, kräftig, mit gröberen Zügen, weniger schön,
von sanftem Charakter, aber geistig minder begabt. Vei den Talbewohnern ist der
Charakter härter, das Temperament heftiger, manchmal rauflustig, zumal wo guter
Schilcker gedeiht, welcher nicht mit Unrecht den Ruf hat, daß er „in die
Faust" geht. Die Vildungstufe ist besonders auf den Gebirgen eine niedere,
da die bei den Pfarren bestehenden Schulen im Winter oft wegen Schnee nicht
besucht werden können, die Kinder im Sommer häufig zum Viehhüten verwendet
werden, und für viele auch die Entfernung zu groß ist, dann von einer Haus-
bildung kaum die Rede fein kann. Dies und der Mangel eines geselligen Umganges
mag hier vorzüglich an der blöden Unbeholfenheit und geringen Geistesentwiklung
vieler Gebirgbewohner Ursache fein. Die Tal- und Hügelbcwohner sind in diefer
Beziehung viel günstiger gestellt, und können fast durchgehends lesen und schreiben.
Ner Bezirk hat 17 Pfarrschulen mit 22 Lehrzimmern, in welchen 2785 Kinder
(jeder 40. Bw.) Unterricht erhalten, so daß 426 Schüler auf 4 Lehrzimmer kommen.
Die teutsche Sprache wird in der Gebirgpartie mehr nach dem obersteinschen, in
den übrigen aber in den: eigentümlichen, mehr harten Dialekte des Kainachbodens
mit einem bellenden Jargon gesprochen, welcher vielleicht in dem heftigen und streit-
lustigen Gemütscharakter der Bewohner seinen Grund haben dürfte. Uebngens ist
diese Mundart in ihren Fügungen sprachrichtiger, als die nordteutscken Dialekte;
die derselben eigentümliche» Ausdrille findet man häufig in Ulrich von Liechtenstein's
und Ottokar von Hornek's Gedichten und Reimen. Die vielen bei den Eisenwerken,
den Kohlenbauen u. dgl. verwendeten Fremden vertragen das Klima ganz gut.
Die Kleidung besteht bei Männern auf den Gebirgen vorzüglich aus einem
Hraulodenen Janker (im Winter einem Pelze) und weiten langen Hosen aus demselben
Stosse, dann kuhledernen Bundschuhen und einem schwarzen Filzhnt; die weibliche
Kleidung zeichnet sich aus durch kurze Röke und Spenser aus dunklem Zeuge und
durch Männerhüte. Im Kainachtale und überhaupt in der Tal- und Hügelgegend
sind Janker von dunkelfarbigem Tuch und ähnliche weite Hosen bei Männem üblich;
den langen grünen Tuchrok und die kurzen engen Lederhosen mit blauen Strümpfen
zu den Bundschuhen, den roten Brustfiek und den breitkrämpigen Hut sieht man
nur mehr bei älteren Männern. Im Winter sind lange Pelze gebräuchlich. Die
weiblichen Kleider sind sehr leicht und bestehen großenteils aus Vaumwollzeugen,
t»ie Reindel« und Sulmer-Etrohhüte fangen an den Kopftücheln zu weichen.
Die Wohnungen sind auf den Gebirgen noch meistens aus Holz. mit Stroh
oder Schindeln gedekt, und bestehen aus einer Rauchstube für Küche und Gesinde,
wo der Rauch vom Herde und aus den Oefen durch kleine, in der Höhe angebrachte
Oeffnungen seinen Ausweg sucht, einem Neinen Zimmer (Stübel) für den Hausvater und
dessen Familie, einer kellerartigen Kammer und einem Vorhaus (Laube). Die Viehställe
sind ebenfalls von Holz und meistens dumpfig. Das Gesinde schläft gewöhnlich in den
Ställen, unter dem Hausdach oder auf dem Heuboden. In den Tälern war früher
dieselbe Bauart vorherrschend; jezt sind die Holzgebäude schon großenteils verschwunden
und soliden Ziegelgebäuden mit mehren und bequemeren Lokalitäten gewichen.
Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Title
- Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Author
- Mathias Macher
- Publisher
- Ferstl'sche Buchhandlung
- Location
- Graz
- Date
- 1860
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.91 x 20.62 cm
- Pages
- 632
- Keywords
- Topographie, Kartografie, Statistik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen