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464 Amtsbezirk Weiz.
Das Familienleben H so einfach wie die Nabrung. Die Heiraten ge«
schehen fast immer aus Konoenienz; die Ehe. wenn auch nicht immer mit Liebe
gewürzt, wird heilig gehalten. Die Familie ißt mit dem Gesinde an einem Tisch,
und der Hausvater betet das Tischgebet vor. Der Hausmutter liegt die Besor-
gung des engeren Hauswesens (Küche, Kuh- und Schweinstall) ob; sie ist daher
sehr in Anspruch genommen, zumal wenn ihr helfende Hände fehlen. — was zur
Felge hat. daß sie das Wochenbett zu früh verläßt, und die Neinen Kinder nicht
selten verwahrloset. Der Hausvater besorgt das Feld. das Futter für das Vieh.
den Keller u. s. w. Vor lauter Geschäften vergißt man oft auf die edlerm häus-
lichen Freuden. Als üble Gewohnheiten sind zu bezeichnen: Die unmäßigen
Schmausereien bei Hochzeiten. Kindstaufen und Begräbnissen, dann der allzu freie
Verkehr zwischen den jungen Leuten verschiedenen Geschlechtes, welcher viele unehe-
liche Schwangerschaften zur Folge hat. Zu den Vergnügungen gehören: Musik
und Tanz, Sonnenwend-Frohfeuer. das Scheiben« und Eisschießen, und das Kegel-,
seltener das Kartenspiel. Die gewöhnlichen Vorurteile gegm die Impfung sind in
den Hügelgegenden und größeren Ortschaften, wo man sich überhaupt mehr den
Sitten und Gebräuchen der Umgebung von Graz nähert, größtenteils verschwun-
den, und kommen nur noch in einigen Gebirgsgegenden vor.
Herrschende Krankheiten sind nur die Witterungkranlheiten, nämlich:
Rheumatismen und Katarrhe mit ihren Folgezuständen: Wassersucht und Lungensucht,
welche die Hälfte der Sterbefälle verursachen. Viele Kinder leiden an Ver-
säuerung. Würmern, Skrofeln, Entzündungen und Wassersucht des Gehirns, und
an Augenkatarrhen, ledige Weibspersonen an Bleichsucht und Klampfen, verehe-
lichte an Vlutfiüssen und Folgen unreifer Geburten. Rbeumatiscke Taubheit und Schwer-
hörigkeit ist ein ungemein häufiges Uebel, welches oft emer leichten kretinischen
Anlage das Ansehen von Halbkretinismus gibt. Die schwere» Gebirgsarbeiten und
das Lastentragen verursachen Leistenbrüche, Varikositäten, Gebärmutter« und Schei-
den-Vorfälle. dann Herzfehler. Bei den Holzknechten kommen oftmals Verwun-
dungen vor. Epidemisch herrschten die Mattem in einigen Gebirgspfarren
(wo die Impfung früher unter Apathie und Renitenz lau betrieben wurde), in den
Jahren 1846 und 1855 ziemlich ausgedehnt, und forderten viele Opfer. Masern
traten i. I. 4838 u. 4839, Ruhr 4854 im leichten Grade epidemisch auf; i. I.
4855 aber herrschte die Ruhr bösartig in den Pfarren Puch, Wei; und St. Ru-
precht. Der Tifus breitete sich in den Jahren 4834, 4837, 4840 und 4847
in den armen Gebirgsgegenden aus, wo Hagelschläge und ungünstige Witterung
die Nabrung verkümmerten. Aus ähnlichen Ursachen herrschte der Tifus 4850 u.
4855 in den Pfarren Weiz und St. Ruprecht. Die Cholera ist in diesen Bezirk
nicht eingedrungen. (Dr. Mezler v. Andelberg.)
Woltätigkeitanst alten sind, außer den Armeninstituten und den Bür-
gerspitälern in den. Märkten Weiz, Paffail und Et. Ruprecht, für verarmte und
gebrechliche Gemeindeangehörige keine. Das Sanitätpersonale des Bezirkes
besteht aus 4 Doktor d. Med. und Chir. (k. k. Bezirksarzt), und 4 Apotheker
Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Title
- Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Author
- Mathias Macher
- Publisher
- Ferstl'sche Buchhandlung
- Location
- Graz
- Date
- 1860
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.91 x 20.62 cm
- Pages
- 632
- Keywords
- Topographie, Kartografie, Statistik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen