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© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
ISBN Print: 9783847111658 – ISBN E-Lib: 9783737011655
„Memoryinthissenseisrolereversal:donotharmthestrangerbecauseyouwereonce
whereheisnow.Seetheworldfromhisperspectivebecause it iswhereyourancestors
stood, and you never ceased to recall and re-enact their stories. Biblical ethics is a
prolongedtutorial in role reversal.“3
DerRabbiner schreibt vonder Liebe zumNächstenund zumFremden.Ange-
sichtsseinerexzellentenSchriftkenntnisverwundertesdeshalb,dassernichtdas
demGebotderNächstenliebe(Lev19,18)benachbarteGebotderFremdenliebe
(19,34) imBuchLevitikuserwähntoderdieFassungdesDeuteronomiums(Dtn
10,19).DiesenTextenmöchte ich imFolgendennachgehen.
1. DenFremden liebenheißt: (wie)Gott lieben (Dtn10,19)
Im Deuteronomium schließt Mose an seinen Rückblick auf den beinahe ge-
scheitertenBundesschluss amGottesbergHoreb (Dtn 9,8–10,11) eineGebots-
paränesean.InihrwerdengewissermaßendieFolgerungenausderAuflehnung
IsraelswährendderWüstenzeit,seinerUrsünde,demAbfallzumGoldenenKalb,
undderVergebungGottes gezogen. Eine rhetorische Frage (10,12–13) gibt zu
BeginndenTon für alles an,wasdannbis zumEndevonKapitel 11 folgt.Der
Sache nach führt sie in die beiden wichtigsten Themen deuteronomischer
Paränese ein:Zunächst indas eineHauptgebotdesGottesbundes, undzwar in
mehreren synonymen bzw. komplementären4 Formulierungen. Man kann es
abernurerfüllen,wennmandieGeboteGottesverwirklicht.Deshalbfolgt–mit
demHauptgebot verwoben – die Mahnung zur Gesetzesobservanz. Letztlich
dientdannallesdemGlück Israels:
Und nun, Israel, was erbittet JHWH, dein Gott, von dir außer dem einen: dass du
JHWH,deinenGott, fürchtest, indemduauf all seinenWegengehst, unddassdu ihn
liebstundJHWH,deinemGott,mitganzemHerzenundmitganzerSeeledienst; (und
das,) indemdudieGebote JHWHsundseineGesetzebewahrst, aufdie ichdichheute
verpflichte.Dannwirdesdirgutgehen. (Dtn10,12–13).
AndieseLoyalitätsforderung inallenDimensionendesgesellschaftlichenLe-
bens, wie sie die Kult- und Sozialordnung der deuteronomischen Tora kon-
kretisiert, schließt ein Lobpreis der universalen Herrschaft Gottes, seiner
Hoheit über denKosmos an (Vers 14). Trotz seiner allumfassendenÜberle-
genheit wendet sich JHWH nur den Patriarchen zu, die er „ins Herz ge-
schlossen“,geliebtundderenNachkommenerunterallenVölkernausgewählt
hat (Vers 15).Doch lassen sichLiebeundErwählungnicht als zwei getrennte
3 Ebd., S. 184.
4 Vgl.Bill T.Arnold,TheLove-Fear-Antinomy inDeuteronomy5–11, in:VetusTestamentum
61/2011,S. 551–569.
GeorgBraulik42
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Title
- Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
- Subtitle
- Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Authors
- Irene Klissenbauer
- Franz Gassner
- Petra Steinmair-Pösel
- Editor
- Peter G. Kirchschläger
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1165-5
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 722
- Category
- Recht und Politik