Page - 103 - in Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben - Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
Image of the Page - 103 -
Text of the Page - 103 -
© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
ISBN Print: 9783847111658 – ISBN E-Lib: 9783737011655
ethischeWende zumSubjekt unddie interreligiöseHermeneutikdesAnderen
stehen ineinemnotwendigen innerenZusammenhang.
Strategien derAbschottung zurWahrung religiöser Identität haben in plu-
ralen, zunehmenddurchlässigenGesellschaften schlechte Chancen. Schon die
Möglichkeit von Alternativen bewirkt, dass die Glaubens- undMoralvorstel-
lungen der jeweils eigenen Gruppe fĂĽr den Einzelnen nicht mehr einfach
selbstverständlich sind, sondern sich rechtfertigenmüssen und durch indivi-
duelleEntscheidungangeeignetoderabgelehntwerden.Pluralismuskompetenz
durch die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel zwischen unterschiedlichen
Sprachspielen ist dabei eine immer wichtiger werdende Kommunikationsbe-
dingung für eine Sozialethik unter postsäkularem Vorzeichen. Das Ziel des
Dialogsistnicht,dieDifferenzderReligionen,KonfessionenundKultureninein
Einheitskonzeptaufzulösen,sonderninderBegegnungdieVielfaltalsReichtum
zuentdecken, voneinanderzu lernenunddort,woesdemWohlderMenschen
dient, zukooperierenoderzumindest friedlichzukoexistieren.
DermethodischeLeitgedankeinterreligiöserSozialethikistdieFokussierung
des Dialogs auf gesellschaftlich zentrale Themen. Die Gesellschaft, in der wir
leben, ist der gemeinsameAusgangspunkt.Das entsprichtdemAnsatzderBe-
wegung fĂĽr praktisches Christentum, von der im frĂĽhen 20. Jahrhundert die
moderneÖkumene ausging. Ziel einer interreligiösen Sozialethik ist nicht die
Formulierung von Schnittmengen vermeintlicher theologischerĂśbereinstim-
mungen, wie sie so oft in mĂĽhsam erarbeiteten und dann kaum beachteten
Konsenspapierenvorgelegtwerden.Ziel istvielmehrdieFörderungfruchtbarer
Denkprozesse und Irritationen durch die Hermeneutik des Anderen. Dabei
spielt die Auseinandersetzung mit dem Islam um sozialethische Fragen des
Zusammenlebens eine hervorgehobene Rolle. Dialogbereitschaft ist die Vor-
aussetzungdafür, dass die indenöffentlichenRaumzurückgekehrtenReligio-
nen eine friedensfördernde Rolle spielen und sich aktiv dagegenwehren, als
Eskalationsfaktor fĂĽrGewaltmissbrauchtzuwerden.DafĂĽr reichtesnicht,den
DialogalsmoralischesPostulatzufordern.ErwirdvielmehrnurdanngenĂĽgend
Vitalität gewinnen, wenn er im Sinne einerHermeneutik des Anderen in der
Mittedes religiösenSelbstverständnissesverankert ist.
Viele globale Konflikte wie die Folgen des Klimawandels,Welthunger und
Armut,Neonationalismus,Korruption,dieCorona-Kriseoderdiesystemischen
RisikenderWeltfinanzmärktesindnuraufderBasiseinerglobalenKooperation
zwischen den verschiedenen Nationen und Kulturen zu lösen. Christliche
Theologiemit ihremAnspruch einer die gesamteMenschheitsfamilie genera-
tionenübergreifendumfassendenSolidarität ist dabei in besondererWeise ge-
pierteAnsatzvonGaudiumetspes, in: Jan-HeinerTĂĽck(Hg.),ErinnerungandieZukunft.
DasZweiteVatikanischeKonzil, Freiburg2012,S. 537–553.
ZumStellenwert theologischerArgumente 103
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Title
- Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
- Subtitle
- Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Authors
- Irene Klissenbauer
- Franz Gassner
- Petra Steinmair-Pösel
- Editor
- Peter G. Kirchschläger
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1165-5
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 722
- Category
- Recht und Politik