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Italienische Oper und deutsches Singspiel in der Ära Josephs II.
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verpflichtete Theater-Routiniers und literarisch keineswegs über jeden Zwei-
fel erhaben.12
Möglicherweise fielen diese Qualitätsprobleme bei deutschen Aufführun-
gen einfach mehr auf als bei italienischen, wo nicht nur die Fremdsprache,
sondern auch die enorme Routine von Compositeur und Capellmeister vieles
überspielte. Man könnte das mit der Situation im heutigen Filmgeschäft ver-
gleichen, wo hoch budgetierte Filme aus Hollywood (»A-Movies«) auch bei
schwacher und vorhersehbarer Handlung in ihren technischen Aspekten
überzeugen, während bei weniger aufwendigen Produktionen schon geringe
Schwächen in der Handlung auffallen.
Als Joseph II. am 7. Februar 1786 in der Orangerie von Schönbrunn ein
Fest für hohe Gäste ausrichtete und damit einen ganzen Abend wie eine Oper
inszenierte, war der Kampf um die Bretter, die die Welt bedeuten, vorläufig
zugunsten der italienischen Oper entschieden. Der Kaiser hatte das Thema
vorgegeben: eine »Bühne-auf-der-Bühne-Situation«. Auf der einen Seite ließ
er einen Routinier und international äußerst erfolgreichen italienischen
Opernkomponisten, seinen Hofcompositeur Antonio Salieri antreten, der
übrigens mit seinem Rauchfangkehrer einen nicht unwesentlichen Beitrag
zum deutschen Singspiel geleistet hatte; auf der anderen Seite einen Kompo-
nisten, der hauptsächlich durch seine Klavierwerke und Kammermusik be-
kannt und in Wien bis dahin mit einer einzigen deutschen Oper, der Entfüh-
rung aus dem Serail, in Erscheinung getreten war.13 Zugegebenermaßen war
die Entführung schon damals in Wien und international sehr erfolgreich, aber
die Außenseiterrolle Mozarts ist unverkennbar. Seine Ehre bestand darin,
mitmachen zu dürfen; der Sieg Salieris war mehr oder weniger vorprogram-
miert.
So und mit der bereits begonnenen Arbeit am Figaro ist wohl auch zu er-
klären, dass Mozart ganz anders als bei jeder anderen von ihm komponierten
Oper für dieses Projekt, den Schauspieldirektor, nur mäßig viel Zeit und
Können investierte. Anders als bei der Entführung scheint er in die Erstellung
des Librettos von Gottlieb Stephanie dem Jüngeren nicht eingegriffen zu
haben. Nur so ist zu erklären, dass das Stück viel zu textlastig ist, ein Ein-
druck, den ein paar Arien am Schluss nicht mehr korrigieren können; zumin-
dest hätte man die Auftritte der Sängerinnen etwas besser im Stück verteilen
können. Der Schauspieldirektor sollte zwar das deutsche Singspiel repräsen-
tieren, ist aber selber nur im weitesten Sinne als »Singspiel« zu bezeichnen,
12 Weitere Gründe für das Scheitern des deutschen Singspiels in Wien nennt Braun-
behrens, Mozart in Wien (siehe Anm. 1), S. 204-205.
13 Vgl. auch Josef Heinzelmann: »Prima la musica, poi le parole«. Zu Salieris Wiener
Opernparodie. In: Österreichische Musikzeitschrift 28. Jg., H. 1 (Januar 1973),
S. 19-28, hier S. 19-20.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND
Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen?
Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786
- Title
- Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen?
- Subtitle
- Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786
- Author
- Paolo Budroni
- Publisher
- V&R unipress
- Location
- Göttingen
- Date
- 2008
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-477-7
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 135
- Category
- Kunst und Kultur