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Manuela Hager
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1792 zum poeta cesareo, zum »Kaiserlichen Hofdichter«, ernannt, zehn Jahre
nach dem Tod Metastasios, des verehrten und geschätzten kaiserlichen Hof-
dichters (der übrigens nie wirklich Deutsch lernen musste, weil in seiner
gebildeten Umgebung alle Italienisch sprachen). Dies ereignete sich trotz der
Verdächtigungen, die dem damaligen Polizeichef Graf Pergen seit etwa 1786
zugeführt wurden. In »geheimen Beobachtungen« wird berichtet, dass Casti
mit anderen Diplomaten die Nuntiatur frequentierte, die nicht wenige Ver-
bindungen zur französischen Botschaft aufrecht hielt. Pergen hatte den kai-
serlichen Auftrag erhalten, alle Berührungspunkte mit dem Gedankengut der
Französischen Revolution zu melden und tunlichst zu unterbinden (Allge-
meines Verwaltungsarchiv, Boaglio, 36–37). Casti hatte sich schon früher
brieflich (Boaglio, 44; Fallico, 537) zu den Ideen der Aufklärung bekannt
und den Fortschrittsgedanken propagiert. Noch ein ominöses Werk machte
Casti zu einem verdächtigen Subjekt in den Augen der Geheimpolizei: In Gli
animali parlanti, Tierfabeln in Sextinen (oder sechszeiligen Stanzen) wendet
sich der italienische Poet, der vorgibt, vom indischen Pancatantra beeinflusst
zu sein, gegen die Auswüchse der Französischen Revolution, legt Macht-
missbrauch und Demagogie, Moral und Despotismus bloß. Die absolute
Monarchie als Regierungsform, vertreten durch den Löwen, wird von den
republikanischen Revolutionären Hund, Elephant und Tiger in ihren Grund-
festen erschüttert. Die politische Satire Gli animali parlanti entstand in den
Wiener Jahren, wurde aber erst kurz vor Castis Tod in Paris publiziert.
1796 wird Casti in einem Polizeibericht beschuldigt, ein Informant des
preußischen Botschafters zu sein (Boaglio, 38). Der Italiener Girolamo Luc-
chesini war in die Dienste Friedrich Wilhelm II. getreten und zu seinem Bot-
schafter in Wien avanciert. In seinem Haus scheint es einen regen Austausch
an Informationen gegeben zu haben, an denen auch Casti beteiligt war. Dies
wurde ihm zum Verhängnis. Am 6. Februar 1797 sprach Kaiser Franz II in
einem Schreiben an Pergen endgültig das Aufenthaltsverbot aus: »…Dem
Casti ist … der hiesige Aufenthalt künftig nicht mehr zu gestatten«. Somit
endete die glorreiche Zeit der italienischen Dichter am Wiener Hof, denn
danach stand das Theater unter französischem Einfluss.
Im Vergleich zu diesen Werken, in denen Casti mit seinen Überzeugungen
nicht hinter dem Berg hält, sind seinen Opernlibretti weniger explosiv. Elf
Titel führt die bibliographische Liste der Werke Castis als Opernlibretti an,
darunter Prima la musica, poi le parole, ein »Divertimento teatrale«, das im
Auftrag von Joseph II. aufgeführt werden sollte, um den Aufenthalt seiner
Schwester Maria Christina und ihres Gatten, Albert von Sachsen-Teschen, zu
feiern. In seinem Epistolario, also seiner Briefesammlung, findet sich eine
Notiz von Casti, in der er Antonio Greppi vom kaiserlichen Auftrag berichtet,
und dass er den Text schon abgefasst habe, während der »maestro di capella«
Salieri gerade die Musik fertig stelle (Casti, 1984, 405; Arce, 85; Der Prince
Charles-Joseph de Ligne berichtet anekdotisch, dass Casti vom Kaiser den
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND
Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen?
Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786
- Title
- Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen?
- Subtitle
- Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786
- Author
- Paolo Budroni
- Publisher
- V&R unipress
- Location
- Göttingen
- Date
- 2008
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-477-7
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 135
- Category
- Kunst und Kultur