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Manuela Hager
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Womit wir wieder im 18. Jahrhundert angelangt sind. In Castis Prima la
musica, poi le parole verlangt Graf Opizio zum Entsetzen von Dichter und
Komponisten, dass sie in nur vier Tagen eine Oper für ein Fest fertig stellen.
Panik breitet sich aus, aber beide Künstler wissen sich zu helfen: Sie werden
Älteres aus der Schublade hervorzaubern und neu adaptieren. Der Librettist
wird jedoch das Nachsehen haben, weil er sich viel mehr als der Komponist
den Wünschen von Sängerinnen, Sängern und Maestro wird beugen müssen.
Bei der fieberhaften Zusammenarbeit sucht der Maestro ganz wahllos Arien
aus und will sie zu seiner Musik umdichten lassen, so dass der Poeta ganz
lakonisch bemerkt : »Was vorher komisch war, versuche ich jetzt, heroisch
(ernst) zu machen.« (354). Es kommt offensichtlich beim Text nur auf die
Anzahl der Silben an, die zur Musik passen. Sollte sich der Komponist beim
Lesen irren, besteht er trotzdem auf seine Version: Als er an einer Stelle im
Libretto statt ital. »costato«, also Partizip der Vergangenheit von »kosten«,
das Wort »castrato« liest, wird aus der Sopranstimme einfach ein Kastrat.
Dichter und Komponist machen hinter den Kulissen im Grunde ähnliche
Erfahrungen: im gespannten, auf den Publikumserfolg orientierten Klima
muss jeder um seine künstlerische Verwirklichung kämpfen. Casti legt seinen
Maestro di cappella die Worte in den Mund, dass der Dichter mit der dümm-
lichen Vorstellung aufräumen soll, dass die Welt sich um Worte drehe, nein,
»musica ci vuole«, »Musik werde gebraucht« (355)
Der »Entlehnmodus« war also gang und gäbe und wurde dadurch erleich-
tert, dass Bravour- und Affektarien in Wort und Ton eine wiederkehrende
Typisierung zeigten (R. Strohm analysierte 1976 die italienischen Opernarien
des Settecento). Andere Gestalten der Opernprobe als Theateraufführung
waren neben Dichter und Komponist der Impresario, die Sängerinnen als
Primadonna seria oder witzige Soubrette, die Sänger, die Kopisten und in
manchen Stücken sogar die nervenden Mütter der Sängerinnen. In Castis
Prima la musica, poi le parole gestaltet sich die Begegnung der Sängerinnen
zur Opernsatire: Donna Eleonora lebt von den Erzählungen ihrer Erfolge auf
den Bühnen fremder Länder, wo ihr das Publikum zu Füßen lag (347), wo sie
viel Geld verdiente und ihr Vorzimmer von »Galanen, Liebhabern, Kavalie-
ren, Geschäftsmännern« (»cicisbei, amanti, cavalieri, mercanti«, 347) bela-
gert war. Poeta und Maestro sind skeptisch, die Buffo-Sängerin Tonina ver-
ulkt das pathetische Gehabe der Primadonna und lässt auch Dichter und
Komponisten nicht ungeschoren (»Oh, der Maestro ist ein kleiner Säufer!«
verkündet sie, als sie ein Glas Wein entdeckt). Die temperamentvolle, schlag-
fertige und selbstbewusste Tonina ist der Idealtypus der Zofe und die Gegen-
spielerin der Primadonna seria; sie erwacht in Ariadne auf Naxos als Zerbi-
netta zu neuem Leben. Nach Michtner (186) wurde die Partie der Eleonora
bei der Uraufführung am 7. Februar 1786 von Ann Selina, genannt Nancy,
Storace mit großem Erfolg gesungen. Ihre Gegenspielerin war der Mezzosop-
ran Celeste Coltellini, die vom Kaiser selbst engagiert worden war. Beide
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND
Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen?
Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786
- Title
- Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen?
- Subtitle
- Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786
- Author
- Paolo Budroni
- Publisher
- V&R unipress
- Location
- Göttingen
- Date
- 2008
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-477-7
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 135
- Category
- Kunst und Kultur