Page - 4 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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1 DerDomalsMetropolitankirche
hauses), 1705 St.Markus (dieKirche desUrsulinen-
Konvents), 1707 dieUniversitätskirche und 1726 die
Kapelle imSchlossMirabell. 1750wurde schließlich
derNeubau der St. Sebastianskirche fertiggestellt. In
einem halben Jahrhundert hatte sich die Zahl der
Kirchenbautenmehr als verdoppelt.Gemeinsammit
den vorher schon bestehendenGotteshäusernwie der
heutigenFranziskanerkirche, derBürgerspitalskirche,
der Erzabtei St. Peter, St. Michael10, St. Nikolaus
in der Kaigasse11 und St. Andrä12 bildeten sie ei-
neKirchenlandschaft, die vomFürsterzbischof und
seinemHof vordergründig zu kontemplativen, vor al-
lem aber zu repräsentativen Zwecken genutztwurde:
Wenn sich der Fürsterzbischof in Begleitung seines
Hofstaates in eine der anderenKirchen begab oder
eine Prozession anführte, so wurde die ganze Stadt
zurBühne für eine inszenierte Begegnung vonKlerus
undGläubigen, vonFürst undUntertanen inAkten
symbolischerKommunikation, die derReligionsaus-
übung ebensowiederLegitimationundFestigungder
gegebenen hierarchischenOrdnung diente.13Wie das
Fronleichnams-Fest imSalzburg des 18. Jahrhunderts
abzulaufen hatte, illustriert der folgende Abschnitt
aus demHofkalender 1739:
„Pfingstag den 28. diß [Mai 1739] ist
FestumPallii. IhreHochfürstl. Gnaden etc.
etc. pontificiren Selbst Solenniter, dahero
die gesambte Hofstatt um 3. Viertel auf
7. Uhr wegen der Corteggirung bey Hof
10AmResidenzplatz gelegen.
11Wurde im letztenViertel des 18. Jahrhunderts in einWohn-
haus umgebaut.
12Stand im 18. Jahrhundert amPlatzl (Linzergasse) an der
Ecke zurDreifaltigkeitsgasse, wurde beimStadtbrand 1818
stark in Mitleidenschaft gezogen und musste 1861 dem
Verkehrweichen.
13Wie sehr dieseProzessionen z.B. in der zweitenHälfte des
18. Jahrhunderts bereits alsTheater rezipiertwurden, zeigt
folgende Episode:W. A.Mozart begibt sich am 25.Mai
1780 mit seiner Schwester zur befreundeten Familie Ha-
genauer, um die durch die Getreidegasse oder auch über
den Universitätsplatz ziehende Fronleichnamsprozession,
sozusagen von einemLogenplatz, anzusehen.Wohlgemerkt
waren dieGeschwisterMozart nicht daran interessiert, an
derProzession teilzunehmen.Danach kommt es jedenfalls
zu folgender übermütigen, wiewohl privaten Eintragung
W. A. Mozarts in das Tagebuch seiner Schwester: „den
25:ten um halb acht uhr zum [Johann Lorenz] Hagenau-
er die Pferde scheissen zu sehen.Mein Bruder hat einen
Zinnern leichter auf die Proceßion hinab geworfen. hernach
inDom in der halb und ganz 11 uhrMess.“Bauer,Wil-
helmA./Otto Erich Deutsch (Hrsg.):Mozart. Briefe
undAufzeichnungen.Gesamtausgabe, 7 Bände, Band 5–7
aufgrund deren Vorarbeiten erläutert von Joseph Heinz
Eibl, Kassel u.a.: Bärenreiter 1962–1975, Bd. 3, S. 5. in Galla bereitschafftlich seyn muß dann
um7Uhr kommen IhreHochfürstl. Gnaden
etc. etc. in die Hochfürstl. Dom=Kirchen
in Vorhergehung derer Herren Edel Kna-
benTruchsessenGeistlich=undWeltlich=
dann Geheimen Räthen Cavaliers Cam-
mer=HerrenMinisterenauch inGefolg eines
HochwürdigenDom=Capitels.Nachvollend-
tem Hoch=Ambt ist die grosse Fronleich-
nams=Procession durch die vornehmsten
Gässen wie schon bewust darbey erschei-
nen alle Ordens=Personen Bruderschaft/
undZunfftenmit ihrerenCreutzenFahnen
undStangen. IhreHochfürstl.Gnaden tra-
gen das Allerheiligiste Altars=Sacrament
Selbsten in Assistierung (Titl.) Hrn. Hrn.
Dom=Probsten und (Titl.) einiger Herren
CapitularenCanonicorum, so die vier Evan-
gelia absingen die Cammer=Herren aber
inMantel=Kleyderen jederzeitWechselweiß
denHimmel und 6. Edel=Knaben dieTort-
zen zu tragen haben“14
DerHochfürstlich-SalzburgischeKirchen- undHof-
Kalenderwar ein jährlich erscheinendesHandbuch, in
dem, neben einer langenListe der Inhaber verschie-
denster kirchlicher undweltlicherÄmter in Salzburg
(Schematismus), im erstenTeil der für denHofmaß-
geblicheAblauf des Jahresmit seinen „Hof-Festen“
– und den damit zusammenhängenden zeremoniellen
Erfordernissen – festgelegt war, daneben aber auch
verschiedene für die Bewohner der Stadt wichtige
Informationenwie dieAnkunfts- undAbfahrtsinfor-
mationen für die verschiedenenPostboten undPost-
kutschen publiziert wurden. Im letzten Viertel des
Jahrhundertswurde er unterWeglassung des bis da-
hin im Titel als normatives Ordnungselement her-
vorgehobenen kirchlichen Bezuges inHochfürstlich-
Salzburgischer Hof-Kalender, oder Schematismus um-
benannt, was die in der Spätaufklärung sich anbah-
nendeTendenz zur Säkularisierung des Staatswesens
14Hochfürstlich-Saltzburgischer Kirchen- und Hof-Kalender.
Ist das dritte nach demSchalt-JahrNach derGnadenrei-
chenGeburt unsersHerrnundSeeligmachers JESUChristi
M.DCC.XXXIX. Samt beygefügtemSchematismo.Alles zu-
sammen getragen und auf eigeneUnkösten in denDruck
gegeben Von Johann Georg Schnürer Hoch-Fürstlichen
Cammer-Fourier, Salzburg: Johann Joseph Prambsteidl
1739.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur