Page - 5 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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1.1 Zeremonielle und liturgischeHintergründe alsGrundlage desmusikalischenHandelns
zumAusdruck bringt.Mit demRegierungsantritt des
Großherzogs Ferdinand III. vonToskana 1803wurde
dasKalendariumaufgegeben.
In unseremZusammenhang interessiert vor allem
der jährlicheKalender. Dieser beginnt – anders als
dasKirchenjahr, dessenAnfang bekanntlich auf den
erstenAdventsonntag fällt – im Jännermit dem ers-
tenFestumPalliiNeujahr, was bereits auf denmehr
weltlichen als kirchlichenCharakter dieser Publikati-
on hinweist. ImLauf des Jahreswerden nochweitere
fünfzehn dieser höchsten kirchlichen Feste erwähnt,
die gewöhnlich am Vorabend mit einer feierlichen
Vesper beginnen und am Festtag selbst mit einem
Hochamt imDomund gegebenenfallsmit einerwei-
teren feierlichenVesper abgeschlossenwerden.
Die Tradition dieses jährlich wiederkehrenden
Grundschemas geht in Salzburg bis auf das Ende des
16. Jahrhunderts zurück, als aufVeranlassungFürst-
erzbischofWolfDietrichs vonRaitenau der nachtri-
dentinische römischeRitus – unter Einfügung einiger
lokaler Eigenfeste (festa propria; festa particularia) –
inSalzburg eingeführtwurde.Am26.Oktober 159615
hattePapstClemensVIII.mit einerBulle denOrdo
Romanus für Salzburg als verbindlich erklärt. Litur-
giegeschichtlich war das ein Neubeginn, dessen for-
male Grundlage mit sehr wenigen Änderungen bis
in das 20. Jahrhundert Gültigkeit hatte. Der Grad
der Feierlichkeit, mit der die liturgischen Handlun-
gen vorgenommenwurden, war vomRang des Festes
abhängig.AmSalzburgerDom folgte die für dieArt
15Vgl.Harnoncourt, Philipp: „DieVerehrung des hl. Rupert
in der Zeit nachderEinführungdesOrdoRomanus in Salz-
burg“, in:Petrus Eder/Johann Kronbichler (Hrsg.):
Hl. Rupert von Salzburg 696–1996. Katalog der Ausstel-
lung imDommuseum zu Salzburg und in der Erzabtei St.
Peter. 16.Mai 1996–27. Oktober 1996, Salzburg:Dommu-
seum zu Salzburg u. Erzabtei St. Peter 1996, S. 175–190,
hier: S. 175;Hintermaier, Ernst: „DieKirchenmusik und
Liturgie-ReformWolf-Dietrichs“, in: 4. Salzburger Landes-
ausstellung. FürsterzbischofWolf Dietrich vonRaitenau.
Gründer des barocken Salzburg. 16.Mai–26.Oktober 1987
imResidenz-Neugebäude und imDommuseumzuSalzburg,
Salzburg: Salzburger Landesregierung 1987, S. 296–302,
hier: S. 297 (noch inUnkenntnis des exaktenDatums der
Einführung derReform), sowieHintermaier, Ernst: „‚Es
gehe confuse in verrichtung des gottesdienstes zue, vnnd
wolle demnach dennChorum in ein bessere und richtige-
reOrdnung bringen.‘ Liturgie-Reform,Kirchenmusik und
höfischesMusikleben unter denErzbischöfenWolfDietrich
vonRaitenau (1587–1612) undMarkus Sittikus vonHohen-
ems (1612–1619)“, in: Jürg Stenzl/ErnstHintermaier/
GerhardWalterskirchen (Hrsg.):SalzburgerMusikge-
schichte.VomMittelalter bis ins 21. Jahrhundert, Salzburg
u.München: Pustet 2005, S. 121–138, hier: S. 121. dermusikalischenAusgestaltungmaßgeblicheEintei-
lung der Festränge allerdings nicht direkt den Fest-
klassen der römischenLiturgie, vielmehr orientierte
sie sich amRang der Zelebranten16: AnFesta Pallii
(Imae classis und IIdae classis) pflegte dermit dem
vomPapst verliehenenPalliumbekleidete Fürsterz-
bischof gemeinhin selbst zu zelebrieren, Festa Pra-
epositi wurden vomDomprobst,Festa Decanii von
einemDomdekanundFestaCanonici von einemdem
Domkapitel angehörendenKanoniker zelebriert. Der
Fürsterzbischof als Zelebrant war aber nicht unab-
dinglicheVoraussetzung zurAbhaltung einesFestum
Pallii. DerHofkalender von 1751 teilt etwa für den
1. Jännermit:
„IhroHochfürstl. Gnaden etc. etc. ponti-
ficiren aber nicht Selbsten inHöchster Per-
son, sondern werden um 8. Uhr in Dero
Oratorium S. Ruperti von sammentlicher
Hof=Statt in der Galla corteggiret, und
nachdem HöchstDieselbe nach angehörter
Predig, und Hoch=Amt widerum in Dero
Retirade zurück kommen, werden in dem
Audientz=ZimmervoneinemHochwürdigen
Dom=Capitel, Hochfürstl. Universität, und
vondenHoch=AdelichenCollegioVirgilia-
no die gewöhnlicheGratulationen abgeleget.
AnheuntundsoofftFestumPalli ist, hatder
allhiesige Stadt=Magistrat, auch in derRit-
terStubenseineunterthänigisteAufwartung
zumachen.“17
BeiVertretung desErzbischofs durch andere geist-
licheWürdenträgerwurde die besondere Feierlichkeit
dadurchgewahrt, dassdieZahldermitwirkendenKle-
riker fallweise bis auf sechs erhöhtwurde.18Ebenso
drückte sich die Feierlichkeit eines Festes inArt und
Aufwand der musikalischen Gestaltung aus, wobei
die fünf Festklassen in einer nur dreistufigenmusi-
16Vgl. dazu dieAusführungen beiHaspel,Ulrich:Mozarts
Vespermusiken und ihr Salzburger Umfeld, Dissertation,
Julius-Maximilians-UniversitätWürzburg 1996, S. 39–49,
bes. S. 46ff.
17Hochfürstlich-Saltzburgischer Kirchen- und Hof-Kalender,
auf das Gemein Jahr Nach der Gnadenreichen Geburt
unsers Herrn und Seeligmachers JesuChristiM.DCC.LI.
Samt beygefügtemSCHEMATISMO.Alles zusammen ge-
tragen und auf eigeneUnkösten in denDruck gegebenVon
Joh. Carl Joseph v. SchnürerHochfürstl. Cammer-Fourier,
Salzburg: Johann JosephMayr 1751, fol. 3v–4r.
18Haspel:Mozarts Vespermusiken, S. 45f.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur